Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 30 (30)

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einen Staates schwer verletzt, ihn äußersten Falles sogar aus der Liste 
der selbständigen Staaten streicht? Und solch einen Fehlspruch soll dann 
die internationale Polizeimacht mit Gewalt erfüllen ? Wäre das nicht Ver- 
gewaltigung, die bei den anderen Staaten nur Mißtrauen gegen diese In- 
stitution aufkommen lassen würde? 
Solange es Lebensfragen gibt, müssen diese von den Staaten selbst 
entschieden werden. Jeder Staat muß so lange Richter über das bleiben, 
was seine Lebensinteressen angeht, so lange objektive Maßstäbe zur Be- 
urteilung der Lebensinteressen nicht vorhanden sind. Denn in der Gegen- 
wart kann ein in Lebensfragen ergehender Schiedsspruch sehr leicht das 
Lebensinteresse eines Staates verletzen und ihn so mehr oder weniger dem 
Untergange weihen. Dazu aber darf in Wahrheit kein völkerrechtliches 
Organ dienen. Denn das Völkerrecht beruht auf dem Nebeneinanderbestehen 
selbständiger Staaten. 
Sobald aber auch Lebensfragen schiedsrichterlich entschieden werden 
können — wie dieser Zustand erreicht wird, habe ich in Nr. 2 des „Ame- 
rican Journal of international law“ (1913) ausgeführt —, brauchen wir 
keinen Polizeibüttel. Denn das Interesse jedes einzelnen Staates an der 
Erfüllung der internationalen Verpflichtungen ist viel zu groß, als daß ein 
Staat, der einmal nach dem Haag gegangen ist, sich weigern sollte, den 
Haager Spruch zu erfüllen. 
Das ist gewiß nicht das letzte Wort über dieses schwerwiegende Pro- 
blem, auf das neuerdings wieder durch das Vorgehen der internationalen 
Flotte gegen Montenegro hingewiesen worden ist. Gerade auf Grund dieses 
letzteren Zwischenfalles wäre nochmals zu überlegen, ob eine internatio- 
nale Flotte, wenn nicht zur Erzwingung von Schiedssprüchen, so doch zu 
anderen Zwecken von Wert wäre. An dieser Stelle wollte ich nur zu einer 
eingehenderen Darstellung des Problems anregen. 
Düsseldorf. Hans Wehberg.
	        
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