Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 30 (30)

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den Etat überschreitet. Artikel 60 und 63 regeln somit ganz 
verschiedenartige Dinge, worauf schon ihr grammatikalischer 
Unterschied hinweist. Ihr Unterschied ist aber kein Grad-, 
sondern ein Artunterschied. Sie haben beide ihre Berechtigung, 
ja sie ergänzen einander sogar in ersprießlichster Weise. Es muß 
eine Gewalt im Reiche geben, die nach außen hin das Militär- 
wesen leitet, und zwar bedarf es beim Heere mehr als bei irgend 
einer anderen Einrichtung eines Bundesstaates einer Person 
als des Trägers der Reichsgewalt. Diese Person ist der Kaiser. 
Er hat gewissermaßen die „Vertretungsmacht nach 
außen“. Ihr entspricht der „Auftrag“ im inneren Ver- 
hältnis zu den gesetzgebenden Faktoren; als solchen kann man 
das Gesetz über die Friedenspräsenzstärke ansehen; denn wie 
schon erwähnt, hat es durch seinen Einfluß auf den Etat auch 
mittelbar Bedeutung für das kaiserliche Recht: es enthebt den 
Kaiser gewissermaßen von der Beweislast für die Ange- 
messenheit und Notwendigkeit der von ihm bestimmten Effektiv- 
stärke des Heeres. Daß die Vertretungsmacht über den Auftrag 
hinausgeht, ist dabei keine ungewöhnliche Erscheinung. Eine 
ersprießliche Ergänzung zu dem kaiserlichen Recht bildet 
eine gesetzliche Feststellung der Friedenspräsenzstärke zumal für 
längere Zeit deshalb, weil sie für die Feststellung des Etats 
die Willkür im Fordern auf Seiten des Kaisers und die Willkür 
im Versagen auf Seiten des Reichstags ausschließt. Der Kaiser 
ist zwar im Fordern nicht gebunden an das Friedenspräsenzgesetz, 
aber er wird sich aus Zweckmäßigkeitsgründen meist in seinem 
Rahmen halten, da der Reichstag durch Feststellung der Friedens- 
präsenzziffer schon vor der Etatsberatung meist zu erkennen ge- 
geben haben wird, wieviel er für das Heer bewilligen will. 
Dein Kaiser aber jede Möglichkeit einer Verstärkung des 
Heeres durch Rekrutenaushebung oder Reserveeinziehung ohne 
Mobilmachung schon in der Verfassung zu unterbinden, wäre eine 
durch nichts gerechtfertigte, sogar gefährliche Maßregel. Ge-
	        
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