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Gesetzes über die Friedenspräsenzstärke: gewiß, wenn diese
Gesetze selbst einen Anhalt dafür ergeben, daß sie das kai-
serliche Recht beschränken sollen. Daß aber das in $ 9 gemeinte
Gesetz nicht absolut das Friedenspräsenzgesetz ist, das er-
gibt sich daraus, daß auch die Rekruten für die Marine nach
Maßgabe „des Gesetzes“ eingestellt werden sollen, während es für
die Marine heute noch kein Friedenspräsenzgesetz gibt. $ 9
ist also so zu verstehen, daß der Kaiser bei der Einstellung von
Rekruten gebunden ist zunächst an die Bestimmungen über die
Wehrpflicht (z. B. Vollendung des 17. Lebensjahres), weiter aber
an solche Gesetze, die für die Folgezeit in dieser Richtung
ergehen sollten. $ 9 enthält also nichts, was sich nicht
schon aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen ergäbe. Er ist inzwi-
schen ersetzt worden durch das Ersatzverteilungsgesetz vom 26. Mai
1893, was manchmal übersehen wird. Nach Art. II S$ 1 dieses
Gesetzes „bestimmt der Kaiser für jedes Jahr die Zahl der in das
Heer und in die Marine einzustellenden Rekruten*, ohne daß da-
bei einschränkend gesagt wäre, daß er „nach Maßgabe des
Gesetzes“ zu verfahren habe.
Auf das Gesetz vom 9. Dezember 1871, das lediglich die Gel-
tung des Provisoriums und Pauschquantums bis zum 31. Dezem-
ber 1874 verlängerte, folgte das Reichsmilitärgesetz vom
2. Mai 1874. Auch hier hatte die Regierung versucht, die
dauernde Feststellung der Friedenspräsenzstärke auf 401,659
Mann durehzusetzen. Wie der Abgeordnete MIQUEL 5° als Bericht-
erstatter bei der Beratung im Reichstage mitteilte, sollte nach
der Regierungserklärung in der Kommission diese Ziffer
1. eine Maxıimalziffer sein in dem Sinne, daß die Friedens-
präsenzstärke an keinem Tage des Jahres über diese Ziffer hinaus-
gehen dürfe, 2. eine Normalziffer für das Budget. Hier
findet sich also die Theorie, der die meisten Schriftsteller zustim-
men, zum ersten Male klar ausgesprochen, nur mit dem Unter-
6° Stenographische Berichte 1874 II. Band S. 751.