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des Abgeordneten MÜLLER°? (Sagan) bei der Beratung des letzten
Friedenspräsenzgesetzes, daß ein neues Quinquennat beab-
sichtigt sei, scheint allerdings der Reichstag sich nicht dessen be-
wußt gewesen zu sein, daß er ein Aeternat schuf und somit zum
ersten Male die Wünsche erfüllte, die die Regierung, die rechts-
stehenden Parteien und zahlreiche Schriftsteller seit der Gründung
des Norddeutschen Bundes geäußert hatten. Aber auch der Bun-
desrat scheint sich dieser Bedeutung des Gesetzes nicht bewußt
gewesen zu sein, sonst hätte sich gewiß Preußens Stimme der
Wiederabschaffung des Aeternats widersetzt. Daß indes ein sol-
ches Aeternat von 1905 bis 1911 bestand, daran läßt der Wort-
laut des Gesetzes vom 15. April 1905 keinen Zweifel. Gleieher
Ansieht sind LABAND°* und DAMBITSCH °°®. (MEYER-ANSCHÜTZ°®,
REINCKE °’, ARNDT °®, LÖNING °®° nehmen keine Stellung hierzu,
woraus jedoch nicht geschlossen werden kann, daß sie anderer
Ansicht seien). Die Frage nach den Rechtsfolgen des Nichtzu-
standekommens des Friedenspräsenzgesetzes vor Ablauf der Geltung
des alten Gesetzes wäre daher heute nicht mehr praktisch, wenn
nicht das Gesetz vom 27. März 1911 die Friedenspräsenzstärke
wiederum nur auf Zeit, bis zum 31. März 1916 festgesetzt und
also die Zeiten der Vacuumsmöglichkeiten wieder herbeigeführt
hätte.
Das Ergebnis der bisherigen Untersuchung ist folgendes:
die Reichsverfassung stellt dem Recht des Kaisers, die Organisa-
tion und die Friedensstärke des Heeres nach freiem Ermessen zu
bestimmen, gegenüber das Mitwirkungsrecht des Reichstags bei
der Bewilligung der Ausgaben für das Heer. Als Grundlage
der Bewilligung ist die Feststellung der Friedenspräsenz-
5° Stenographische Berichte 1905 V. Band S. 5417, vgl. auch S, 5420
oben.
5 Deutsches Reichstaatsrecht 8. 350, V. Auflage 1909.
55 S. 582, 587. se S, 731. ” 8. 283.
se 8. 319 ff. seines Kommentars.
» 8. 56.