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deutung beizumessen. Das letzte Friedenspräsenzgesetz vom
14. Juli 1912 hat die Cadres neu festgestellt und zwar wiederum
ohne Endtermin.
B. Zweitens gilt nach LABAND fort der Grundsatz der Reichs-
verfassung Art. 63 Abs. IV: „Der Kaiser bestimmt den Präsenz-
stand. der Kontingente des Reichsheeres.*“ Es ist klar, daß
die Stellungnahme zu dieser Behauptung nicht zu trennen ist von
der Auffassung der Bedeutung des Gesetzes über die Friedens-
präsenzstärke. LABAND schickt richtig voraus, daß Art. 63 IV
neben Art. 60 in der Reichsverfassung stehe, also nicht mit ihm
in Widerspruch stehen könne. Eine Einschränkung des kaiser-
lichen Rechtes aus Art. 63 IV liege in dem $ 9 des Wehrgesetzes
(dessen Außerkrafttreten LABAND übersieht), das die Rekruten-
einstellung nur nach Maßgabe des jeweiligen Friedenspräsenzge-
setzes gestatte. Sobald aber die Geltung des Friedenspräsenzge-
setzes erlösche, höre diese Einschränkung auf, nicht aber die in
Art. 63 sanktionierte dauernde Regel.
Bis hierher ist den Ausführungen LABANDs vollkommen zu-
zustimmen. Man sollte nun aber meinen, daß seine Auslegung
der Art. 60 und 63 in einem Sinne geschähe, der jeden Wider-
spruch zwischen beiden ausschließt. Wie schon erwähnt, erklärt
er jedoch den Art. 60 und das Friedenspräsenzgesetz als die Ein-
schränkung des kaiserlichen Rechtes zur Bestimmung des Prä-
senzstandes, der die gesetzliche Ziffer nicht überschreiten dürfe.
Also neben dem Wehrgesetz $ 9 enthält schon die
Reichsverfassung nach LABAND eine Beschränkung
des kaiserlichen Rechtes. Es ist aber klar, daß entweder
dieser letztere Satz unrichtig sein muß oder die vorangestellte
Behauptung, daß Art. 63 Abs. IV auch bei einem Vacuum in
Kraft bleibe. Wenn beim Bestehen eines Gesetzes über die Frie-
denspräsenzstärke der Kaiser an dieses nach oben hin gebunden
ist, und den ersten derartigen Zustand die Verfassung selbst schon
geschaffen hat durch das Provisorium in Art. 60 Satz 1, dann kann