— 101 —
eine innerstaatliche Rechtsfolge zur Voraussetzung hat, ob ein
Satz des Völkerrechts so oder anders bestehe, wenn beispielsweise
die prozessuale Zulässigkeit einer Klagerhebung gegen fremde
Staaten abhängig gemacht ist von ihrer völkerrechtlichen Statt-
haftigkeit. Aber als direkt verbindende Norm kann das Völker-
recht für den Einzelnen niemals in Betracht kommen, nicht für
die Behörden, nicht für den Privaten. Ihnen kann nur die Ge-
meinschaft Recht setzen, der sie selbst angehören: der Staat.
Es ist bekannt, daß die Auffassung des Völkerrechts, von der
hier ausgegangen wird, nicht unbestritten ist. Nicht wenige
Schriftsteller versagen der Gemeinschaft der Staaten die Fähigkeit,
Recht zu schaffen, verlegen die Ordnung seiner Beziehungen nach
außen vollständig in den einzelnen Staat und weisen einem „äu-
ßeren Staatsrecht“ die Aufgabe zu, diese Beziehungen rechtlich zu
gestalten. Die Voraussetzungen dieser Meinung sind hier nicht
zu prüfen. Jenes „äußere Staatsrecht“ aber verlangt einige Be-
merkungen mit Rücksicht auf die folgenden Erörterungen.
Unmöglich kann dieses äußere Staatsrecht die Aufgabe haben,
fremden Staaten Rechte und Pflichten zuzuweisen ; sie würden damit
unter das Recht eines einzelnen Staats gebeugt, und man käme in
unlöslichen Widerspruch mit der vorauszusetzenden Unabhängig-
keit der anderen Staaten!. So könnte ein solches äußeres Staats-
recht also, nach außen gewendet, nur Vorschriften umfassen für
das Verhalten, das der regelnde Staat selbst gegenüber anderen
Staaten beobachten solle. Aber wären das noch Rechtssätze?
Ohne Rechtsgenossen, zwischen denen Ordnung geschaffen werden
soll? Es könnte sich da nur um eine Sammlung von Maximen der
auswärtigen Politik handeln, empfohlen durch Herkommen, durch
! Auch ein Umweg, der in äußerem Staatsrecht die rechtliche Bindung der
Behörden sähe, gegenüber fremden Staaten ein bestimmtes Verhalten zu beob-
achten, würde zu keinem anderen Ergebnis führen. Rechtssätze über die Tätig-
keit der Behörden bedeuten Vorschriften für Herrschende gegenüber Beherrsch-
ten. Der fremde Staat steht so wenig unter den Gesetzen eines andern Staates
als unter der Behörde eines solchen, die dessen Gesetze anzuwenden hat.