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Organisation der auswärtigen Verwaltung, der dem inneren Ko-
lonialstaatsrecht Deutschlands die erste Grundlage gegeben hat.
Aber auch die staatliche Betätigung selbst, die nicht gegen
einen anderen Staat und doch nach außen gerichtet ist, mag den
Gegenstand von Rechtssätzen bilden. Nicht leicht freilich ein
friedlicher Verkehr dieser Art. Wohl aber der Waffengebrauch.
Wer sollte den Befehlshaber von dem Vorwurf einer Anstiftung
zum Mord befreien, der auf Eingeborene zu feuern befiehlt, wenn
nicht nachzuweisen wäre, daß solche Aufforderung nicht rechts-
widrig ist? Und sie kann der Rechtswidrigkeit nur dann er-
mangeln, wenn ein präjudizieller Rechtssatz besteht, der bei Wahr-
nehmung deutscher Interessen gegenüber Völkerschaften ohne
anerkannten Staatsverband gestattet, nach Ermessen Gewalt zu
gebrauchen. Und ein solcher Rechtssatz muß wiederum der aus-
wärtigen Verwaltung angehören.
IV.
Der Reichsanzeiger vom 25. Januar 1906 veröffentlicht die
Gemeindeordnung für die deutsche Niederlassung in Tientsin. Es
ist da von Gemeinderat und Gemeindeversammlung die Rede, von
den Aufgaben der Gemeinde, die für Schutz der Person und des
Eigentums zu sorgen, gegen ansteckende Krankheiten und Vieh-
seuchen, gegen Feuers- und Wassersgefahr Maßregeln zu treffen
habe. Sollte auch hier ein Stück Rechtes der auswärtigen Ver-
waltung vorliegen? Es wird nötig sein, vor allem den Platz fest-
zustellen, der der Rechtsordnung soleher Außengebiete im Rechts-
system zukommt.
Gebiet und Volk bilden die wesentlichen Bestandteile des
Staates. Das Gebiet, welches die Reichsverfassung in Art. 1 be-
zeichnet, schafft die staatsrechtliche Individualität des deutschen
Reiches. Aber es erschöpft nicht den Raum der Erdoberfläche,
in dem die deutsche Staatsgewalt von sich aus wirksam werden
kann. Neben das Reichsgebiet treten die Außengebiete deutscher