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Staatsgewalt, als deren einfachste Erseheinungsform zunächst die
deutschen Kolonien ins Auge gefaßt seien. Das in der Reichs-
verfassung genannte Gebiet ist das Deutsche Reich, die Kolonien
gehören dem Deutschen Reich. Jede einzelne dieser Erwer-
bungen bildet einen Bezirk, der nach staatlicher Ordnung verlangt.
Nicht als wäre die deutsche Kolonie ein Staat im Rechtssinn; es
mangelt ihr der Wille zu eigenem Bestand im Staatenverkehr.
Aber sie bedeutet einen räumlich zusammengefaßten Komplex
von Lebensbeziehungen, der verschieden ist von den Lebens-
beziehungen, die für das Mutterland Gegenstand rechtlicher Ord-
nung sind. Der Umstand, daß die Kolonie einem Staat ge-
hört, für dessen Gebiet seinerseits rechtliche Ordnung besteht,
bedeutet noch nichts für den Rechtszustand in der Kolonie. Das
Mutterland mag seine Gesetze in die Kolonie einführen; ohne
solche (ausdrückliche oder stillschweigende) Einführung bleiben
alle Lebensbeziehungen so lange rechtlich ungeregelt, als nicht
der besitzende Staat — zunächst als absoluter Herrscher — für
irgend welche Ordnung Sorge trägt®. An einer Stelle hat sich
das innerdeutsche Recht grundsätzlich mit den Kolonien zu be-
fassen: im Reichsstaatsrecht, wo festzustellen ist, daß die deutsche
Staatsgewalt über die Herrschaft im Reich hinaus auch in solehen
Außengebieten wirksam wird, und wo der Behörden zu gedenken
ist, welche diese Herrschaft außer Landes tragen. Sonst aber
kann es im innerdeutschen Recht nur Zufallsbestimmungen geben,
6 Man darf sich nicht etwa dadurch irreführen lassen, daß der Deutsche
in Togo ohne weiteres unter dem Familienrecht des BGB. steht, daß für
das hamburgische Schiff im Hafen von Apia die hamburgischen Vorschriften
über Dampfkesselrevision gelten: das sind Vorschriften, die den Reichs-
angehörigen, die das heimische Schiff überallhin begleiten, die auch gelten,
wenn sich Mann und Schiff in New-York befinden. Sofort dagegen zeigt
sich die Verschiedenheit, wo die Geltung mutterländischen Rechts auf räum-
lichen Beziehungen des Tatbestands zum mutterländischen Gebiet beruht.
Die Reichsgewerbeordnung gilt für Niederlassungen im heimatlichen Deut-
schen Reich. Soll ein Gewerbebetrieb in der Kolonie rechtlich geregelt
sein, so muß es eine koloniale Rechtsordnung dafür geben.