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die besondere Organisation der monarchischen Gewalt und der
physischen Machtmittel, die sie befähigen würde, ihre zahlreichen
territorialen Vindikationsansprüche zu verwirklichen! Die Ahnung
eines im Verhältnis zum doktrinären Begriff der Souveränität
geminderten Status beider Staaten der Monarchie dämmert
denn auch Apponyi auf, wenn er zugesteht, es bestände keine
Unabhängigkeit beider Staaten voneinander nach Art
jener von Frankreich im Verhältnis zu Japan *®, Zwei Staaten,
die im Verhältnis zueinander nicht „unabhängig sind wie Frank-
reich und Japan“, sind nicht nur im Verhältnis zueinander,
sondern zu allen Staaten der Welt nicht souverän, da der Status
der Souveränität als eine absolute Kategorie keine Minderung ver-
trägt. Der Abstand der Stellung des jetzigen Ungarn von der
eines souveränen, selbstherrlichen Staates ist ebenso groß als
jener seiner jetzigen Stellung von seiner Stellung zur Zeit der
Dynastie der Arpaden und der Anjous”®.
Il. Es kommt in dieser Hinsicht auf ganz daselbe hinaus,
ob man die österreichisch-ungarische Monarchie nach Art einer
Dyarchie ° konstruiert, kraft welcher im Bereiche der gemein-
samen Angelegenheiten Kaiser und König nur im Verein mit-
einander verfügen können, oder wasgeschichtlich, politisch, psy-
chologisch und staatsrechtlich richtiger ist, als die Monarchie, wie sie
258 Separatabdruck S. 53, Rundschau S. 413.
259 'TEZNER, Oesterreichische Rundschau 29. Bd. S. 360 f. Ungarn hat
seinen Herren nicht für sich, sondern einen Herrn, der verfassungsmäßig
auch auf die Interessen eines anderen Staates eingeschworen ist und ist in
dieses Verhältnis wegen des Wegfalls seiner Selbstbehauptungsfähigkeit
geraten. Wie anspruchslos die Nation in betreff des Beweises ihrer Sou-
veränität, lehrt die Rede DEAKXs vom 28. März 1867, worin er das Verhält-
nis beider Staaten mit einer etwaigen Allianz Frankreichs und Englands (!)
verglich und den Bedenken gegen die Unvereinbarkeit des Delegations-
institutes mit der Nationalsouveränität durch den Hinweis darauf begegnet,
daß in diesem Punkte doch Parität beider Staaten bestehe!
260 TEZNER, Der Kaiser S. 213. Diese Konstruktion liegt augenschein-
lich der populären Bezeichnung Doppelmonarchie, d.i. die eine von zwei
Monarchen beherrschte Monarchie, zugrunde.