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Bechtspflichten und Berechtigungen durch die Rechtssubjekte
selbst entstehen, statuieren läßt. Besonders im Privatrecht ist
die unpräzise Formel üblich, daß die Rechtswirkungen eines
Rechtsgeschäftes durch den Willen der Parteien entstehen. Man
sagt: der Testator schafft das Recht des Erben, die Vertrag-
schließenden statuieren gewisse gegenseitige Rechte und Pflich-
ten. Man ist sich dabei meist des Ungenauen dieser abbre-
vierenden Ausdrucksweise bewußt und setzt als selbstverständ-
lich voraus, daß nicht der Wille der Parteien, sondern die
Rechtsordnung die Rechte und Pflichten statuiert, daß der
geäußerte Wille der Parteien, Testament, Vertrag usw. lediglich
die Voraussetzung, der Tatbestand ist, an den die Rechts-
ordnung die spezifischen Rechtswirkungen anknüpft. Im Staats-
und Verwaltungsrechte aber, wo die Tatbestände, an welche
die Rechtsordnung Rechtswirkungen knüpft, von einer beson-
deren Partei, nämlich der Staatsperson gesetzt werden, dort
wird der unpräzise und unlogische Sprachgebrauch wörtlich
genommen. Nicht die Rechtsordnung, nicht ein Rechtssatz,
sondern die Staatsperson selbst, die in der Exekutive, also als
Rechts- und Pflichtsubjekt, einen Befehl setzt, ihr Imperium
geltend macht, bewirkt die Gehorsamspflicht des Untertanen!
Otto Mayer hat dies ausdrücklich ausgesprochen: ‚In obrig-
keitlicher Weise dem Untertanen gegenüber zu bestimmen, was
für ihn im Einzelfalle Rechtens sein soll, gehört keineswegs zum
Vorbehalt des Gesetzes. Das ist eine Aeußerung der öffentlichen
Gewalt, die an sich auch der vollziehenden Gewalt zusteht“ *®.
Wenn Otto Mayer der vollziehenden Gewalt die gleiche
rechtserzeugende, verpflichtende Kraft zuspricht wie der Rechts-
ordnung, wenn er den Aeußerungen des Staatswillens, der
Staatsperson innerhalb der Exekutive Rechtswirkung oder
„Geltung“ zuerkennt, ohne Rücksicht auf irgendeinen Rechts-
8 A. a. O. S. 97.