XI. Die Revision der ungarischen 1848er Ver-
fassung im Sinne der Reichsidee.
I. Apponyi selbst muß zugestehen, daß die ständische Auf-
fassung von der patrimonialen Natur der Beziehungen des Herrschers
zu seinen Zuständigkeiten den Weg zur Reichseinheit geebnet
habe. Es sei aber — meint er — der Nation gelungen, das über
ihre Unabhängigkeit geworfene Netz rechtzeitig zu zer-
reißen. Allein zunächst büßte Ungarn seinen Abfall mit einem
l1jährigen Staatsabsolutismus und nachher übte das Bildungs- und
Lebensgesetz der Monarchie und ihrer Dynastie seine Wirkung
in der Weise, daß das vermeintlich zerrissene Netz der staats-
einheitlichen Einrichtung in halb ständischen, halb
konstitutionellen Formen wiederhergestellt
wurde. Im Gesetzartikel XII: 1867 mußte die Nation, welche
im Jahre 1849 das Band der Pragmatischen Sanktion zer-
schnitten hatte, sich zur Reichs- oder Staatseinheit bekennen.
War noch der erste Entwurf des 67er Ausschusses diesem omi-
nösen Terminus im Bogen ausgewichen!“, so enthält ihn
die ungarische Fassung des GA. XIIden dem Reiche entsprechenden
Ausdruck birodalom an 4 Stellen !*.
II. Die magyarische Publizistik ist bemüht, diesen bedeut-
samen Unterschied zwischen erstem Entwurf und letzter Fassung
durch die etymologische Erklärung abzuschwächen, daß birodalom
nicht mehr als Besitzkomplex bedeute. Um so schlimmer,
insofern dann die patrimoniale Auffassung der Testamente
Ferdinands I. und II. von dem Charakter des Herrschaftsgebietes
des Hauses Oesterreich als Objektes eines einzigen universalfidei-
kommissarischen Herrschaftsrechts, als einer domination
durch die ungarische Gesetzgebung rezipiert worden wäre. In
Wirklichkeit ist aber Reich und Staat gemäß der die öster-
reichische dynastische Politik beherrschenden . Vorstellungsweise,
1 Sammlung, HECKENAST S. 107 ff.
41 Einleitung Abs. 2, 3, 4 und $ 8.