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Der Fall Charlton.
Von
H. WITTMAACK.
Die Vereinigten Staaten von Nordamerika lehnten früher grund-
sätzlich die Abschließung eines Auslieferungsvertrages ab, wenn
der andere Teil darauf bestand, daß in dem Vertrage von der Ver-
pflichtung zur Auslieferung eine Ausnahme für Inländer gemacht
werde. Dieser Standpunkt findet seine Erklärung in dem nord-
amerikanischen Recht. In den Vereinigten Staaten können Straf-
taten, die im Auslande begangen sind, nicht strafrechtlich verfolgt
werden, auch nicht, wenn der Täter ein Nordamerikaner ıst. Hat
also ein Nordamerikaner in Auslande ein Verbrechen begangen
und gelingt es ihm, sich in seinen Heimatsstaat zu flüchten, so
kann er dort unbehelligt von der Justiz leben, mag das Verbrechen
auch noch so schwer und seine Schuld noch so offenkundig sein.
Um einem solchen Uebelstand zu begegnen, bestrebte sich die
nordamerikanische Regierung, durch Auslieferungsverträge die Aus-
lieferung des Verbrechers an den Staat, in dessen Gebiet die Tat
begangen war, zu ermöglichen. Eine Auslieferung einer Person
an einen andern Staat ist der nordamerikanischen Regierung nur
dann gestattet, wenn eine rechtliche Verpflichtung hierzu, sei es
durch Staatsvertrag oder sonst, begründet ist. So erklärt es sich,
daß die Vereinigten Staaten bestrebt sind, Auslieferungsverträge
Archiv des öffentlichen Rechts. XXXI. 2/3. 21