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Heft 1). Unter den 132 Seiten widmet der Verfasser 28 der geschichtlichen
Darstellung; die Verhältnisse der Vergangenheit sind denen der Gegenwart
so unähnlich, daß sie kaum noch in Betracht kommen. Der Gegenstand
bildet den Abschnitt VII der Haager Friedenskonferenz von 1907, der durch
die Ratifikation von Deutschland, Oesterreich-Ungarn, Dänemark, Groß-
britannien, Mexiko, den Niederlanden, Rußland, Salvador und Schweden
zwischen diesen Ländern rechtskräftig geworden ist. Es fehlt also noch
die Mehrzahl der Mächte, unter diesen so wichtige wie die Vereinigten
Staaten, Frankreich und Italien. Die 12 Paragraphen sind nur nach den
erheblichsten Schwierigkeiten zustande gekommen. Lange Debatten haben
auf der Konferenz zwischen den Beteiligten stattgefunden, wovon WILLMS
durch Auszüge aus den Protokollen eingehend Kenntnis gibt. Die so na-
türlich erscheinende Definition des Begriffes „Kriegsschiff“ erweist sich als
äußerst schwierig, wenn die Begriffe Hilfsschiff (Schiff für den Transport
von Kohlen, Lebensmitteln und anderen Kriegsnotwendigkeiten für die
feindliche Flotte), sowie Hilfskreuzer hinzutreten. Wenn man mit „Hilfs-
schiffen“ zu tun hat, spielt wieder die Frage der Kriegskonterbande eine
wichtige Rolle, die in der Deklaration von London eine endgültige Lösung
erhalten zu haben schien, jedoch mit der Nichtratifikation dieser letzteren
unerledigt bleibt. Was absolute, was relative Konterbande ist, was keine
Konterbande sein darf, steht so wenig fest wie zuvor. Doch nicht hierauf
wendet sich die Aufmerksamkeit des Verfassers, sondern auf die rechtliche
Stellung des Schiffes als Subjekt. Auf der Konferenz hat England konse-
quent den Standpunkt vertreten, daß die Umwandlung von Handelsschiffen
in Kriegsschiffe möglichst erschwert und an möglichst viele Formalitäten
geknüpft werden müsse. Begreiflich genug, denn es hat auf dem ganzen
Erdenrund so viele Häfen, daß ihm die verlangte Beschränkung auf einen
nationalen Hafen keine Schwierigkeiten machen konnte. Es hat aber nicht
durchsetzen können, daß die Umwandlung auf offener See verboten würde,
also daß andere Mächte mit wenigen eigenen Häfen auf sehr erschwerte
Gelegenheiten angewiesen seien. Deutschland hat in der Verfechtung grö-
ßerer Freiheiten durchweg die Unterstützung Rußlands und der Vereinigten
Staaten für sich gehabt. Diese drei setzten durch, daß durch Par. 3 die
von England geforderten Beweise der Rechtmäßigkeit des Kriegskomman-
danten auf einem in ein Kriegsschiff umgewandelten Handelsschiff auf die
folgenden Worte beschränkt wurden: „Der Befehlshaber muß im Staats-
dienst stehen und von der zuständigen Staatsgewalt ordnungsmäßig be-
stellt sein.“
So ist Punkt für Punkt der Wortlaut nur durch heftige Kämpfe zu-
stande gekommen. Seinerseits bestreitet England noch heute die Recht-
mäßigkeit der Umwandlung auf offener See WıuLıms hält nicht die
Kriegstüchtigkeit der Hilfskreuzerfrage für abgeschlossen. Die praktische
Seite der Frage erscheint ihm mit Recht als verringert, weil Deplazement