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alleinige Inhaber der Dienstgewalt sei, aber an der Gesetzgebung keinen
Anteil habe; ein Dienstbefehl aber, also eine Norm, die nur kraft der
Dienstgewalt erlassen werden kann und nur kraft ihrer verbindlich ist,
von einem Organ erlassen, dem überhaupt keine Dienstgewalt zusteht, sei
ein logischer Widersinn. Ich glaube jedoch, dieser Widersinn verschwindet
völlig, wenn man erwägt, daß der deutsche Kaiser auch seine Dienstgewalt
nur als Organ des Reiches ausübt, daß m. a. W. der eigentliche Inhaber
der Dienstgewalt das Reich ist, das diese Gewalt zwar normalerweise durch
den Kaiser ausübt, sich aber hiebei in einzelnen Fällen ebensogut anderer
Organe, insbesondere des Bundesrates und des Reichstages, bedienen kann.
Der Verfasser wendet sich sodann zunächst dem preußischen Recht
zu und stellt sich in der bekannten Kontroverse zwischen ARNDT und An-
SCHÜTZ auf Seite des letzteren. Er erblickt wohl mit Recht den stärksten
Beweis gegen das ArnDTsche Enumerationsprinzip darin, daß die preußi-
sche Verfassung eine die Regelung des Privatrechts durch Verordnung
verbietende Spezialklausel nicht enthält, daß es mithin jenem Prinzip zu-
folge in Preußen zulässig sein müßte, das Privatrecht durch Verordnung
zu regeln. Der Verfasser sucht bei jedem einzelnen der von ARNDT bei
Zugrundelegung der herrschenden Anschauung als völlig überflüssig be-
zeichneten Verfassungsartikel dessen volle Berechtigung neben Art. 62
nachzuweisen; bezüglich der grundrechtlichen Verfassungsartikel schließt
er sich der Argumentation OTTO MAYERs an, wonach Art. 62 zwar bestimme,
daß Rechtssätze nur im Wege der Gesetzgebung erlassen werden können,
aber die Frage, ob nur auf Grund eines Rechtssatzes gegen die Untertanen
vorgegangen werden darf, erst durch jene grundrechtlichen Artikel beant-
wortet werde. Ich möchte meinerseits zu der ganzen Streitfrage nur be-
merken, daß vielleicht der schwächste Punkt der herrschenden Lehre in
der Nötigung liegt, gewisse in die persönliche Freiheit außerordentlich tief
eingreifende Aeußerungen des militärischen Oberbefehls als harmlose Ver-
waltungsverordnungen hinzustellen, durch die der jeweilige Rechtszustand
gar keine Veränderung erfahren soll. (Vgl. ARNDT, Selbständiges Verord-
nungsrecht 8. 227.)
Auf das Reichsstaatsrecht übergehend (8. 60) sucht der Verfasser zu-
nächst darzulegen, daß es ARNDT, der für das Reich — im Gegensatz zu
Preußen — ein selbständiges Rechtsverordnungsrecht leugnet, nicht gelun-
gen sei, diese seine Ansicht einwandfrei zu beweisen ; es sei dies nur mög-
lich, wenn man von dem von ARNDT auch für das Reichsstaatsrecht ge-
leugneten Satze, daß Rechtsnormen nur im Gesetzeswege erlassen werden
dürfen, ausgeht. Daß aber dieser Satz im Art. 5 der Reichsverfassung
wirklich enthalten sei, sucht der Verfasser insbesondere auf historischem
Wege und zwar an der Hand der Preußischen Grundzüge vom 10. Juni
1866 zu beweisen. Erst auf Seite 78 gelangen wir zu dem eigentlichen
Thema: Dürfen die Verwaltungsvorschriften des Art. 7 ohne weiteres