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der Versuch der Germanisierung des magyarischen Volks als sol-
ches herausgestellt hat. Apponyi spricht mit Entrüstung von den
magyarischen „Intellektuellen“, denen die Idee des Vaterlandes
wenig gilt, die religiöse Idee aber geradezu verhaßt ist. Allein
es sind heute nicht mehr die Sozialdemokraten allein, welche eine
Konsolidation des ungarischen Vaterlandes von einem Verzichte auf
unerfüllbare, aus einer schiefen Beurteilung realer Machtverhält-
nisse hervorgewachsene Ansprüche erhoffen. Die magyarische
Publizistik verweist mit Genugtuung darauf, wie vorteilhaft die
nationale Ruhe im eigenen Hause von dem lauten und verworre-
nen nationalen Streit in den Reichsratsländern absteche. Indes
ist es fraglich, ob nicht der offene nationale Kampf, dem durch
die bedeutsame Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Ver-
waltungsgerichtshofs bestimmte rechtsstaatliche Grenzen gezogen
sind, politisch minder bedenklich ist, als die dumpfe Gärung
unter den Nationalitäten Ungarns, die durch mehr oder minder
langwierige Hochverratsprozesse aufgedeckt wird. Erkennt doch
schon die oft erwähnte ungarische Landtagsadresse: „ heute
fühlen bereits die Nationen den wahren Wert der politi-
schen Freiheit und mit Pietät hängen sie an derselben, und
nur selten gelingtes Völker nachpoliti-
schenTheorien gegenihren Willenumzugestal-
ten! und in neuerer Zeit sind es sowohl Mitglieder der Aus-
gleichs- wie der Unabhängigkeitspartei, die für einen Wandel in
der Nationalitätenpolitik eintreten *”.
XIV. Die destruktive Auslegung des Aus-
gleichs durch dienachgefolgten magyarischen
Theorien.
I. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß Kaiser Franz
Josef I. mittels des sogenannten Ausgleichs eine Auseinanderset-
216 Agcını S. 148.
217 Vgl. die bemerkenswerte Aeußerung MEZoSSYs. Staatssekretärs im
Koalitionsministerium. Neue freie Presse vom 22. Juni 1912 Nr. 17180 S. 5.