Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 31 (31)

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griff der Masse durch das Majoritätsprinzip stets als eine veredelte, zur 
Herrschaft aus inneren Gründen berufene Machterscheinung anzuerkennen 
sei, ist dies doch nicht einmal immer bei ausgewählten Kollegien wie bei 
Parlamenten, Regierungskollegien und anderen Kollegien der Fall. Gerade 
weil die Majorität das willkürlichste von allen Herrschaftsprinzipien ist, 
die es gibt, pflegt mit Sicherheit, wenn auch ungerufen, ein anderes Prin- 
zip in Demokratien aufzukommen, dem mehr Autorität innewohnt, als der 
Majorität. Dieses Prinzip war in den alten, absoluten Demokratien der 
Despotismus und ist in den neuen repräsentativen Demokratien der abso- 
lute Kapitalismus. Der Despot des Altertums war nicht, wie man ihn heute 
nur im Sinne von Schillers Dionysius zu sehen pflegt, der gewalttätige, 
selbstsüchtige Bedrücker, sondern er war ursprünglich und vor allem der 
Herkules, der Erlöser von dem würgenden Minotaurus Masse. Und ebenso 
ist der demokratische Kapitalismus, gegen den dann wieder der demokra- 
tische Sozialismus ankämpft, ursprünglich der arbeitfördernde und darum 
segenbringende Erlöser von dem derben Knechter Majorität. Despot und 
Kapitalismus sind Autoritäten und damit schon etwas Höheres als die bloße 
Tatsache Masse und das Prinzip Majorität. Ich möchte deshalb gerade 
einem Manne, der sich rühmen darf, in stolzer Minderheit sich zu befinden, 
empfehlen, in seinem demokratischen Staatsgebäude doch auch des ver- 
fassungsmäßigen Minderheitsschutzes nicht zu vergessen. Von Minderheits- 
vertretung, Verhältniswahl ist bei ScH. nicht die Rede. Sein König als 
„Vertrauensmann des Volkes“ ist ein Ansatz dazu. Und in der Tat besteht 
das Vertrauen auf einen König vorwiegend nicht darin, daß er die oft 
harten und ungerechten Beschlüsse der Majorität korrekt vollziehen werde, 
sondern darin, daß bei ihm die Minderheit den ihrem politischen und son- 
stigen Wert entsprechenden Schutz finde Das Königtum soll nicht das 
Werkzeug einer regierenden Minderheit, aber auch nicht das Steckenpferd 
einer herrschenden Mehrheit sein. Wo es existiert, muß es vielmehr aus 
innerer selbständiger Kraft der Schutz der Minderheit und der Mäßiger der 
Mehrheit sein. Dadurch gelangt es zu seiner Autorität, die es in weit 
höheren: Sinne besitzen kann als Despotie und Kapitalismus. Möchte der 
Verfasser uns „zu politisierenden Staatsrechtslehrern® einmal auch seine 
Gedanken über das parlamentarische Königtum und den Minderheitsschutz 
enthüllen. 
Als das wesentliche Kennzeichen dieser merkwürdigen Schrift tritt der 
hohe sittliche Ernst entgegen, der durch jede Zeile flutet. Das Problem 
des Staates ist in seiner Tiefe erfaßt und deshalb wird jeder, der ihm mit 
gleichem Ernst naht, daraus Gewinn ziehen, mag er eine Weltanschauung 
verwandter oder anderer Art in sich tragen. Nur wer ins Helle zu schauen 
nicht vermag, oder wer gewohnt ist, am Großen vorbeizuschleichen, der 
lege auch diese Schrift beiseite oder stelle sie zu den unbequemen Gästen. 
Piloty.
	        
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