Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 31 (31)

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das Naturrecht charakteristische Sozialkontrakt, wie MEnZEL dartut, auch 
von modernen Soziologen verwertet wird, so von FOUILLf, BOURGEOIS und 
Huxıey. MENZELs Kritik der einzelnen soziologischen Systeme ist durch- 
aus zutreffend und überzeugend. Es gelingt ihm in der Tat, darzutun, „daß 
in ihnen politische und moralische Ideen in kaum geringerem Ausmaße 
hervortreten, als dies in der naturrechtlichen Doktrin der Fall war. Die 
subjektiven Tendenzen der verschiedenen Systeme sind, wenn auch viel- 
fach unbewußt, schon bei der Auswahl der entscheidenden Kulturfaktoren 
wirksam“ (S.56f.).. Man sollte nun meinen, daß der Verfasser daraus die 
Konsequenz zieht, die Soziologie sei geradeso abzulehnen, wie das Natur- 
recht. So weit geht er aber nicht. Vielmehr verwahrt er sich dagegen, 
daß seine Kritik als Vorwurf aufgefaßt werde. „Die nachgewiesenen 
subjektiven Beimischungen ergeben sich als notwendige Begleiterscheinungen 
des sozialwissenschaftlichen Denkens“ (S. 59). 
Ist dem so, dann verliert allerdings die parallele Behandlung von Natur- 
recht und Soziologie wesentlich an Bedeutung und sogar an Berechtigung. 
Denn nicht die subjektiven Beimischungen sind es, welche uns zur Ab- 
lehnung des Naturrechts veranlassen. Das Naturrecht war auf falschen 
Voraussetzungen aufgebaut. Die Annahme des Staatsvertrags beruhte nicht 
auf historischer Forschung und war auch nicht eine mit den Ergebnissen 
der Geschichtswissenschaft im Einklang stehende Hypothese, sondern ein 
Erzeugnis reiner Spekulation. Wir würden das Naturrecht auch dann ver- 
werfen, wenn der Staatsvertrag der Subjektivität des Forschers gar keinen 
Spielraum ließe, wenn wir also nicht eine Reihe von Naturrechtssystemen, 
sondern nur ein einziges zu bekämpfen hätten. Die Soziologie dagegen 
hat einen methodisch einwandfreien Ausgangspunkt. Sie ist eine em- 
pirische Wissenschaft, sie beobachtet die gesellschaftlichen Erschei- 
nungen, und wenn die Ergebnisse der Beobachtung nicht bloß von dem 
Gegenstande derselben, sondern auch von der Individualität des Beobachters 
abhängen, so liegt der Fehler nicht in der Methode, sondern wir haben es 
hier eben mit einer unvermeidlichen Fehlerquelle zu tun. Die Soziologie 
teilt in dieser Hinsicht das Schicksal der Geschichte, der Rechtswissen- 
schaft, der Philosophie, ganz allgemein gesprochen, der Geistes- oder Kultur- 
wissenschaften überhaupt. Dem Gegensatz von „Natur- und Kulturwissen- 
schaft“ hat MENnZEL im Jahre 1903 einen gedankenreichen, in der vor- 
liegenden Schrift auszugsweise zitierten Vortrag gewidmet. (8. 59 soll es 
aber statt „Pflanzenphilosophie“ heißen: „Pflanzenphysiologie‘.) Er hat 
darin den engen Zusammenhang zwischen dem Objekt der kulturwissen- 
schaftlichen Forschung und dieser Forschung selbst betont. Die Kultur- 
wissenschaft wertet und kritisiert die Erscheinungen, die sie beschreibt, 
und sie wirkt auch selbst auf diese Erscheinungen ein. Zwischen Staats- 
lehre und Staatsgeschichte besteht eine unleugbare Wechselwirkung. Sowie 
aber der Staat unter dem Einflusse der Anschauung, die wir von ihm haben,
	        
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