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Die heutige Organisation der evangelischen und der katholischen Militär-
seelsorge beruht auf der evangelischen und der katholischen militärkireh-
lichen Dienstordnung, beide vom 17. Oktober 1902. Ganz im Gegensatz zu
Preußen steht Bayern. Hier ist eine genaue Organisation des Militärkirchen-
wesens noch nicht erzielt worden, vielmehr „bisher an der in den maß-
gebenden Regierungskreisen vertretenen Auffassung gescheitert, daß kein
hinreichender Anlaß gefunden werden könne, die Militärseelsorge als mili-
tärisches Institut zu organisieren“ (S. 153). FREISEN bezeichnet die noch
ganz auf dem ungenügenden Standpunkte der Verordnung von 1863 stehende
Organisation der bayerischen Militärseelsorge als „eine juristische Monstro-
sität, die ihresgleichen nirgendwo findet“. „Die Militärgeistlichen sind zu
charakterisieren als im Militärdienst verwendete und vom Militärfiskus be-
soldete Zivilbeamte kirchlichen Charakters“ (S. 208). Auch Württemberg
ist „über unfertige administrative Anfänge auf diesem Gebiete bis heute
nicht hinausgekommen“ (S. 68). Dagegen erfreut sich das Königreich Sach-
sen wiederum einer sehr guten Regelung des Stoffes. Die in der preußi-
schen Armee aufgegangenen übrigen deutschen Kontingente haben sich ge-
setzlich oder im Verwaltungswege zum Teil der preußischen Organisation
angeschlossen, im einzelnen aber in sehr verschiedener Weise. Eine ein-
heitliche Regelung hat endlich das evangelische Marinekirchenwesen er-
fahren, während das katholische einer solchen noch entbehrt.
Das Buch wird sowohl der "Theorie, als ganz besonders der Praxis außer-
ordentliche Dienste leisten. Es bildet für den Praktiker des Militärkirchen-
wesens ein übersichtliches und brauchbares Handbuch, enthält für jeden
in Betracht kommenden Staat eine knappe Zusammenstellung der histo-
rischen Entwicklung wie der gegenwärtigen Rechtslage und weist zudem
den praktisch besonders hochzuschätzenden Vorzug auf, daß alle wichti-
geren, meist schwer zu erhaltenden, zum Teil sogar bisher noch nirgendwo
abgedruckten Bestimmungen im Wortlaute mitgeteilt sind. Dem Theore-
tiker bietet das Buch eine gute Grundlage für fernere Forschungen. Daß
für solche noch ein weites Feld offen steht, bedarf kaum der Erwähnung.
Die Schrift stellt den ersten, daher mit den unvermeidlichen Mängeln eines
solchen behafteten Schritt auf juristischem Neuland dar. Nunmehr gilt
es, in emsiger Einzelarbeit das Geschaffene zu ergänzen und zu vertiefen.
So wertvoll die zahlreichen neuen Ergebnisse sind, die der Verfasser schon
zutage gefördert hat, so wenig ist darum das Thema damit erschöpft. Vor
allem die Aufgabe der rechtsdogmatischen Durchleuchtung der Materie und
der Aufstellung der in ihr enthaltenen Rechtsgrundsätze ist von FREISEN
noch so gut wie gar nicht gelöst worden. Endlich kommt der Schrift auch
eine nicht zu unterschätzende rechtspolitische Bedeutung zu. Sie deckt
manche rechtlich unhaltbaren Zustände, manche Mißlichkeiten und Uebel-
stände des geltenden Rechtes auf und gibt somit die Anregung zu einer
Reihe von Reformen. Ob man hierbei freilich gleich so weit gehen soll, wie
Archiv des öffentlichen Rechts. XXXI 4.