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samtheit der Jugendfürsorge- und Jugendpflegebestrebungen.«ine Zerklüftung,
die ernste Sorge bereiten muß. Es ist ein Verdienst der unermüdlich täti-
gen Deutschen Zentrale für Jugendfürsorge in Berlin, daß sie den Versuch
gewagt hat, möglichst viele Gebiete dieser Bestrebungen durch eine prak-
tische Arbeitsgemeinschaft der verschiedenen kirchlichen, politischen und
sozialen Parteien zu neutralisieren. Ein Schritt auf diesem Weg war auch
der von ihr im März 1912 veranstaltete Erörterungsabend zur Ermöglichung
einer freien Aussprache führender und sachverständiger Persönlichkeiten
zur Ermittelung neuer Mittel und Wege, um den unheilvollen Wirkungen
wachsender Zersplitterung im Bereich der Jugendpflege entgegenzuwirken.
Freilich kann wohl niemand so optimistisch sein, zu erwarten, daß durch
solche Disputationen, sei es im Mittelalter, sei es in der Neuzeit, Klüfte in
der Weltanschauung und die hieraus sich ergebenden Gegensätze überbrückt
werden können; immerhin ist es von großem Interesse, aus dem nunmehr
gedruckt vorliegenden Verhandlungsbericht die Stellungnahme der Vertreter
der großen Religionsgemeinschaften, der wissenschaftlichen Anschauungen,
der politischen und sozialen Parteien zu ersehen, aber auch einzusehen,
daß eine Einigung auf diesem Gebiet, besonders insoweit politische Gegen-
sätze in Frage kommen, wohl noch für lange eine unerfüllbare Hoffnung
bleiben wird.
Bürgermeister Dr. WEINREICH-Neukölln, der Referent, unterscheidet drei
große Gruppen in der Jugendbewegung: die kirchliche, diebürger-
lich-nationale, diesozialistische Jugendbewegung, wo-
bei jedoch nicht außer acht gelassen werden darf, daß die beiden erst-
genannten einander in der Sache selbst wesentlich näher stehen als die
dritte. Zutreffend stellt dieser Berichterstatter fest, daß die katholische
Kirche als erste sich der schulentlassenen Jugend des Volkes angenommen
hat, und daß ihre Organisationen, über die katholischen Landesteile ver-
breitet, eine starke Mitgliederschaft aufweisen; auf jahrzehntelange Ent-
wicklung blicken auch die evangelischen Jungmännervereine zurück; prak-
tische Jugendarbeit seit mehr als einem Jahrhundert leistete ferner die
deutsche Turnerschaft, die in der Neuzeit gewissermaßen abgelöst wird
durch die Jugendwehren und verwandten Bestrebungen. Verhältnismäßig
jung ist die völlig isoliert stehende sozialdemokratische Bewegung, die nach
dem Beschlusse des Nürnberger Parteitages dafür zu sorgen hat, daß die
Arbeiterjugend im Sinne der proletarischen Weltanschauung erzogen werde,
und in der Zeitschrift „Arbeiterjugend® und in den Jugendheimen starke
Kampf- und Propagandamittel sich geschaffen hat.
Dr. WEINREICH bespricht sehr eingehend die juristische und politische
Seite der einzelnen Bestrebungen und bringt dann Vorschläge, wie dem
ungehemmten Einfluß der Einwirkung der politischen, kirchlichen und so-
zialen Parteien auf die Jugend, der vom 14. bis zum 18. Lebensjahr eine