— 9 —
zur Verfügung der Nation stehende Gebundenheit des Königs
nicht eine solche der souveränen Nation abzuleiten, die kraft
ihrer Souveränität überhaupt keine Bindung verträgt. Im vor-
liegenden Falle wird die Nation den König beim Worte nehmen.
So ist die Genehmigung des Programms wohl der bedeutsamste
Fall einer einseitigen, ausgesprochen ungarischen Verfügung
über schwerwiegende Interessen der Reichsratsländer, deren ge-
setzliche Festlegung nach den vorangegangenen Erörterungen eine
Verletzung jener Verfassung bilden würde, durch welche nach
dem Handschreiben vom Jahre 1868 alle Länder des Hauses Oester-
reich vereinigt sind, und im schroffsten Widerspruch zum
Handschreiben vom Jabre 1889 stände.
Sicher hat APPONYI auf diesen ausgesprochen dissoluto-
rischen Akt ein Auge, wenn er Oesterreich-Ungarn als bloße
konstitutivre Befähigung zu gemeinsamer Aktion erklärt und
zum Verständnis dieser bisher dem Staatsrecht unbekannten
Spezies anführt, Ungarn habe in G.A. XII: 1867 nicht mittels Ver-
trages, sondern mittels freienundwiderruflichen Entschlusses
zur Ausübung eines Teils seiner Souveränität mit Oesterreich & e-
meinsame Exekutivorgane geschaffen, wobei es vorläufig da-
hingestellt bleiben mag, ob, wie APPONYI behauptet, mittels dieses
precaristischen Verhältnisses das einheitliche Auftreten
beider Staaten nach außen gesichert sei (!), ob in dem so
gestalteten Bau alles so solides und reelles Material sei, daß er
imponierend und festgefügt dasteht®* (!), ob endlich gemein-
same Exekutivorgane zweier souveräner Staaten anders als
durch eine von ihnen eingegangene Vereinbarung ge-
schaffen werden können.
4 Zur Kritik dieses der Sezessionstheorie Vorschub leistenden Staats-
aktes und seiner Motive vgl. TEZNER, Res hungaricae S. 142 ff.
455 APPONYI, Separatabdruck S. 2f. und 56, Rundschau S. 416.
[Schluß folgt.]