Full text: Armee-Verordnungs-Blatt Dreißigster Jahrgang (30)

— 2144 — 
waltung Rechtsprechungsfunktionen ausübt. Allein es wäre 
eine ungebührliche, den ursprünglichen im ‚Urteil‘ zusam- 
mengefaßten Sinn des Rechtsprechungsbegriffes gegen den 
Sprachgebrauch verändernde Bedeutung, wenn man unter 
Bechtsprechung etwas anderes als die Feststellung verletzter 
Rechtspflicht verstehen wollte. Was das Zivil- wie Straf- 
urteil stets charakterisiert, ist die vom Rechtssatz geforderte 
der Realisierung der (zivilen oder kriminellen) Unrechtsfolge 
notwendig vorausgehende Feststellung, daß eine durch Rechts- 
satz statuierte Rechtspflicht verletzt wurde. Läge keine (zu- 
nächst bloß behauptete) Pflichtverletzung vor, könnte es über- 
haupt gar nicht zur Urteilsfunktion der Gerichte kommen. Der 
Rechtsprechungsakt der Gerichte (das Urteil) ist doch nur die 
notwendige Vorbedingung für die Realisierung der Unrechts- 
folge, die wiederum nur die Rechtskonsequenz einer Pflicht- 
verletzung ist. Die besonderen Rechtswirkungen, welche die 
Rechtsordnung an den Urteilsakt knüpft, sind ausschließlich 
auf diese Eigenschaft desselben zurückzuführen: Materielle und 
formelle Rechtskraft sind nur deshalb nötig, weil — solange 
nicht einwandfrei festgestellt ist, ob eine Rechtspflicht verletzt 
wurde — die auf die Pflichtverletzung gesetzte Unrechtsfolge 
nicht verhängt werden soll. 
Wenn daher dem Verwaltungsakt durch die Rechts- 
ordnung die gleiche oder doch eine analoge Stellung ein- 
geräumt werden soll wie dem Urteil, so ist dies nur insoweit 
gerechtfertigt, als der Verwaltungsakt Rechtsprechung in dem 
Sinne eines zivilen oder Strafurteils ist, d. h. als der Verwal- 
tungsakt die Feststellung einer Pflichtverletzung durch die 
staatliche Behörde beinhaltet. Dies gilt aber keineswegs von 
jedem oder auch nur den meisten Verwaltungsakten. Eine 
kurze Ueberlegung soll dies klarstellen. 
Für die juristieche Konstruktion der Staatstätigkeit, ins-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.