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waltung Rechtsprechungsfunktionen ausübt. Allein es wäre
eine ungebührliche, den ursprünglichen im ‚Urteil‘ zusam-
mengefaßten Sinn des Rechtsprechungsbegriffes gegen den
Sprachgebrauch verändernde Bedeutung, wenn man unter
Bechtsprechung etwas anderes als die Feststellung verletzter
Rechtspflicht verstehen wollte. Was das Zivil- wie Straf-
urteil stets charakterisiert, ist die vom Rechtssatz geforderte
der Realisierung der (zivilen oder kriminellen) Unrechtsfolge
notwendig vorausgehende Feststellung, daß eine durch Rechts-
satz statuierte Rechtspflicht verletzt wurde. Läge keine (zu-
nächst bloß behauptete) Pflichtverletzung vor, könnte es über-
haupt gar nicht zur Urteilsfunktion der Gerichte kommen. Der
Rechtsprechungsakt der Gerichte (das Urteil) ist doch nur die
notwendige Vorbedingung für die Realisierung der Unrechts-
folge, die wiederum nur die Rechtskonsequenz einer Pflicht-
verletzung ist. Die besonderen Rechtswirkungen, welche die
Rechtsordnung an den Urteilsakt knüpft, sind ausschließlich
auf diese Eigenschaft desselben zurückzuführen: Materielle und
formelle Rechtskraft sind nur deshalb nötig, weil — solange
nicht einwandfrei festgestellt ist, ob eine Rechtspflicht verletzt
wurde — die auf die Pflichtverletzung gesetzte Unrechtsfolge
nicht verhängt werden soll.
Wenn daher dem Verwaltungsakt durch die Rechts-
ordnung die gleiche oder doch eine analoge Stellung ein-
geräumt werden soll wie dem Urteil, so ist dies nur insoweit
gerechtfertigt, als der Verwaltungsakt Rechtsprechung in dem
Sinne eines zivilen oder Strafurteils ist, d. h. als der Verwal-
tungsakt die Feststellung einer Pflichtverletzung durch die
staatliche Behörde beinhaltet. Dies gilt aber keineswegs von
jedem oder auch nur den meisten Verwaltungsakten. Eine
kurze Ueberlegung soll dies klarstellen.
Für die juristieche Konstruktion der Staatstätigkeit, ins-