— 59 —
artiges oder Gleichwertiges an die Seite gestellt wurde. Das
öffentliche Recht war neben dem privaten bei den Römern ein
Recht zweiten Grades. Und da sich die Einteilung — ganz
entsprechend dem realen, praktischen, aufs Konkret-Sinnliche
gerichteten Denken der Römer — im Grunde auf den Rechts-
stoff, nicht die Rechtsform, auf die zu regelnden Lebens-
verhältnisse, nicht die regelnden Rechtsnormen bezog, bedeutet
diese Graduierung zwischen jus privatum und jus publicum,
daß das Objekt des Privatrechtes weit mehr und intensiver
vom Recht, von Rechtsnormen erfaßt war als der Gegen-
stand, auf den sich das jus publicum bezog. Man meinte die
staatlichen Verhältnisse, die faktischen Herrschafts bezie-
hungen des Staates und seiner Organe zu den Untertanen,
wenn man von Staats- Recht sprach, wie man die tatsäch-
lichen wirtschaftlichen und sonstigen Beziehungen der Unter-
tanen untereinander meinte, wenn man von einem Privatrecht
sprach, das ja für eine streng logisch abstrakte Anschauung
nur der Inbegriff der Normen ist, die diese Beziehungen regeln;
und der Inbegriff eines ‚„jus‘ publicum, eines öffentlichen
„Bechtes“, mit dem man die Verhältnisse der Staatsgewalt
bezeichnete, vertrug sich im Bewußtsein der Römer durchaus
mit der Tatsache, daß diese Verhältnisse sich ganz oder doch
zum großen Teil dem Rechte, einer rechtlichen Normierung
entzogen! Vollends das politische Dogma des kaiserlichen
Rom: princeps legibus solutus est, galt als ein Prinzip des römi-
schen Staatsrechtes, des jus publicum, wo doch damit nur
die Eximierung des obersten Trägers der Staatsgewalt (und da-
mit dieser Gewalt selbst) vom Recht ausgesprochen, der Staat
außerhalb oder überhalb die Rechtsordnung gestellt, das Staats-
recht damit geradezu negiert wurde!
Wenn man sich über die Bedeutung des heute die deutsche
Rechtswissenschaft beherrschenden Unterschiedes zwischen pri-