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tem und öffentlichem Rechte auf Basis der vollzogenen Rechts-
staatsidee zu prüfen versucht, um die Bedeutung festzustellen,
die der fragliche Gegensatz zwischen privatem und öffentlichem
Rechte im Rahmen einer Theorie des Rechtsstaates angenom-
men hat, möchte man an dem Erfolg solchen Beginnens bei-
nahe verzweifeln. Wenn irgend etwas den beispiellosen Tief-
stand der heutigen Rechtstheorie bezeichnen kann, ist es der
Zustand, in dem sich die für die gesamte Rechtswissenschaft
grundlegende Lehre vom Gegensatz zwischen Privat- und
öffentlichem Rechte befindet. Nicht nur, daß vollkommene
Unklarheit über das Objekt der Einteilung besteht! Es ist
schlechterdings unmöglich, eine auch nur halbwegs einheitliche
Lehrmeinung darüber festzustellen, ob die Rechtsform oder
der Rechtsinhalt durch die fragliche Distinktion geschieden
werden sollen. Im großen und ganzen scheint man der Ansicht
zuzuneigen, daß die Unterscheidung in Privat- und öffentliches
Recht formalrechtlicher Natur sei, während die Art und Weise,
in der man sich der Unterscheidung bedient, offenkundig den
Inhalt der Rechtserscheinung, die besondere Natur der
durch das Recht zu regelnden Lebensverhältnisse als Gegen-
stand der Einteilung verrät. Auch ist keine eindeutige Ant-
wort auf die Frage zu erzielen, ob die Einteilung sich auf das
Recht in seiner objektiven Erscheinungsform — die Rechts-
normen — oder auf seine subjektiven Erscheinungsformen
— Rechtspflicht, Berechtigung, Rechtsverhältnis — bezieht.
Und ebensowenig wie über das Objekt der Einteilung ist über
das Einteilungskriterium eine communis opinio zu erzielen.
Nicht weniger als 17 verschiedene Theorien hat eine aus diesem
Grunde sehr verdienstliche Doktorarbeit ®” über das Kriterium
des Gegensatzes zwischen privatem und öffentlichem Recht in
# Holliger, Das Kriterium des Gegensatzes zwischen dem öffent-
lichen und dem Privatrecht. Zürich Diss. 1904.