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fällen jüngst ein zweites umfangreicheres Heft folgen lassen. War schon
die erste Ausgabe mit Recht günstig aufgenommen worden und bildete
neben OPPENHEIMs trefflichen „International Incidents“ (1909) und FocHE-
RINIs ebenfalls sehr brauchbaren „Problemi di diritto internazionale“ ein
gutes Hilfsmittel für den völkerrechtlichen Unterricht, so muß die Brauch-
barkeit des zweiten Heftes für den Unterricht bedeutend höher gewertet
und der Publikation zudem selbständiger wissenschaftlicher Wert zuge-
sprochen werden.
Es sind verschiedene Gründe, welche für diese Qualitäten dieser jüng-
sten Veröffentlichung STRUPPs in Betracht kommen. Ein rein zahlenmäßiger
Vergleich zwischen Heft 1 und 2 läßt tiefgehende Unterschiede erkennen:
waren im ersten Heft 200 Fälle auf 40 Seiten dargestellt, so sind es hier
250 Fälle auf 100 Seiten. Während die früheren großenteils ganz kurze
Tatbestände gaben oder z. T. lediglich Lehrsätze oder positive Vertrags-
normen in Frageform darstellten, enthält das neue Heft fast ausschließlich
konkrete Beispiele aus der Staatenpraxis, die, wenn auch knapp, doch so
eingehend den Tatbestand enthalten, daß eine erschöpfende Beantwortung
möglich ist. Auch die fingierten Fälle sind sehr geschickt konstruiert und
durch Supposition verschiedener Eventualitäten dazu geeignet gemacht,
den Bearbeiter zu veranlassen, den ganzen Reichtum juristischer Probleme
aus ihnen herauszuholen. Erst durch die scharfe Pointierung der Fragen
wird man gezwungen, Antworten zu geben, welche nicht eine äußerliche
Anwendung von oft recht vagen Doktrinen sind, sondern eine kritische
Würdigung der Theorie zur Voraussetzung haben.
Es ist klar, daß eine solche Bearbeitung der Fälle beträchtliche An-
forderungen in Bezug auf Literatur — und Quellenkenntnis stellt und es
ist deshalb zu begrüßen, daß STRUPP im Gegensatz zu Heft 1 und ähnlich
wie FOCHERINI Literaturnachweise gibt und zwar sowohl zu den systema-
tisch geordneten Gruppen als solchen wie z. T. auch zu den einzelnen
Fällen selbst. Man kann sich nur fragen, ob dem Bearbeiter der Fälle
nicht noch mehr gedient wäre, wenn die monographische Literatur, die für
die Entscheidung konkreter Fragen im allgemeinen wichtiger ist, eher zu
bevorzugen gewesen wäre als die Hand- und Lehrbücher.
Wie schon bemerkt, hat der Verfasser die Fälle nach systematischen
Gesichtspunkten geordnet und gewiß mit Recht. Wenn auch aus erklär-
lichen Gründen die verschiedenen Gebiete des Völkerrechts ungleich stark
vertreten sind und das Kriegs- und Neutralitätsrecht überwiegt, so ermög-
licht diese Stoffanordnung nicht nur die Aufnahme der wertvollen literari-
schen Nachweise, sondern gestattet auch, die Sammlung für Vorlesungs-
zwecke zu verwenden. Es gibt jedenfalls nicht viele juristische Disziplinen,
die so sehr der kritischen Vertiefung und Belebung durch „Fälle“ bedürfen
wie das Völkerrecht. Nichts hat diesem so sehr geschadet, als der bisher
meist herrschende Betrieb, bei welchem lebensfremde oder wenigstens durch
Archiv des öffentlichen Rechts. XXXIII. 1/2. 17