Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 33 (33)

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Jeder Vorschlag zur Reform des Wahlrechts hat immer bewußt oder 
unbewußt eine bestimmte Auffassung von der Repräsentation als Grund- 
lage. Sıorro-PINToR setzt sich weder zur Aufgabe, diesen schon so oft 
festgestellten Begriff auch seinerseits noch einmal zu analysieren, noch 
fällt es ihm ein, zu beweisen, daß die politischen Rechte keine natürlichen 
Menschenrechte sind oder fragmentarische Ausflüsse der Souveränität. Es 
handelte sich für den Verfasser nur darum, seine Stellung zu markieren 
inmitten der verschiedenen Auffassungen der modernen Autoren, welche 
entweder eine fortwährende Beziehung zwischen Wählern und Gewählten 
annehmen oder aber mit dem Wahlakt jegliches Band abschneiden wollen, 
so daß dann jede Idee der Repräsentation verschwindet. Auch über die 
Frage hatte der Verf. sich zu entscheiden, ob im Wahlrecht ein wirkliches 
subjektives Öffentliches Recht des Wählers oder ein bloßer Reflex des ob- 
jektiven Rechts oder eine öffentliche Funktion zu erblicken ist. LABAND 
behauptet bekanntlich, daß die Reichstagsabgeordneten zu Unrecht von der 
Verfassung Repräsentanten genannt werden. Die Wahlberechtigten nehmen 
nur an der Bildung des Parlamentes teil, aber das Volk wirkt nachher 
durch dasselbe nicht kontinuierlich mit bei den Staatsgeschäften. Das 
Wahlrecht ist nicht ein auf ein individuelles Interesse gegründetes subjek- 
tives Recht, sondern einfach ein Reflex von Verfassungsnormen, ein Zu- 
stand, in dem sich der Wähler befindet gemäß des objektiven Rechts. 
LABAND hat sich aber dann mit sich selbst in Widerspruch gesetzt, indem 
er an einem andern Orte das Wahlrecht zusammen mit dem Anspruch des 
Staatsbürgers auf Schutz im In- und Ausland als Inhalt des Staatsbürger- 
rechts bezeichnet. In späteren Auflagen seiner Werke scheidet er aber 
logischerweise das Wahlrecht aus und bezeichnet es als Funktion, welche 
gewisse Klassen von Bürgern berufen sind, auszuüben. In letzterem Punkte 
herrscht Uebereinstimmung zwischen den Ansichten von LABAND und JEL- 
LINEK. Im übrigen aber gehen beide auseinander. JELLINEK betont das 
soziale Moment der Repräsentation. Nach ihm ist die Volksvertretung ein 
Willensorgan des Volkes. Dieses und das Parlament sind eine rechtliche 
Einheit. Die Wahl schafft eine dauernde rechtliche Beziehung zwischen 
den Repräsentanten und dem Volk. Die Wahl ist eine Staatsfunktion, die 
den einzelnen nicht zum Subjekt haben kann. Der Wähler hat kein Recht, 
sondern Kompetenzen. Er hat aber einen Anspruch auf Anerkennung der 
Organseigenschaft, aus welchem sich ipso jure die Zulassung zur Ausübung 
der vom objektiven Recht geregelten Staatsfunktion der Wahl ergibt. 
Ueber die Leistung der Garantie dieser rechtlichen Möglichkeit geht aber 
der individuelle Anspruch nicht hinaus. 
Auf die Theorien anderer Rechtsgelehrter geht Sıorro-PINTOR nur in- 
sofern ein, als sie für ihn bei der Analyse und Bewertung der Gedanken- 
gänge von JELLINEK und LABAND wertvolle Anhaltspunkte bilden. LABANDSs 
Theorie von der Repräsentation wird von SıoTTo-PınTor als richtig aner-
	        
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