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Verwendung der Landstände anzusprechen‘. Von großem Inter-
esse ist die Vorschrift des Abs. 3 dieses Paragraphen „überhaupt
ist den einzelnen Untertanen, sowie ganzen Gemeinden und Körper-
sehaften freigelassen, ihre Wünsche und Bitten auf gesetzlichem
Wege zu berathen und vorzubringen“. Damit war in Kurhessen
zuerst von allen deutschen Bundesstaaten, wenn auch nicht die
Vereins- so doch die Versammlungsfreiheit gesetzlich anerkannt.
Von gar nicht hoch genug zu schätzender Bedeutung war die
Vorschrift, daß gegen alle Anordnungen der Verwaltungsbehörden
wegen „Rechtsverletzung“ die Klage vor den ordentlichen Ge-
richten zulässig war. Damit war die Souveränität der Gerichte
und ihre Ueberordnung über der Verwaltung offen proklamiert,
Kurhessen war — wie wir dies bereits eingehend in unserer Ab-
handlung „Die Behördenorganisation in Kurhessen“ S. 47/81 dieser
Zeitschrift Jahrgang 1914 erörterten — der Justizstaat kat ex-
ochen.
$ 36 verbot für die Zukunft die Erteilung ausschließlicher
Handels- und Gewerbepririlegien ohne Zustimmung der Land-
stände, ferner verhieß er die Aufhebung der bestehenden Mono-
pole, sowie der Zwangs- und Bannrechte durch ein besonderes
Gesetz. Patente für Erfindungen sollten von der Regierung nur
auf höchstens 10 Jahre erteilt werden. „Diejenigen Gewerbe,
für deren Ausübung aus polizeilichen oder staatswirtschaftlichen
Gründen eine Konzession erforderlich ist, sollen gesetzlich be-
stimmt werden.“ Jedoch gingen die schönen Versprechungen
dieses Paragraphen nur sehr unvollständig in Erfüllung. Ledig-
lich der Mühlenbann wurde durch den von 1837—1839 tagenden
Landtag aufgehoben, alle anderen in Aussicht gestellten Gesetze
sind bis zum Ende des Kurstaates trotz des immer wieder von
neuem sehr energisch betonten Verlangens der Landstände nicht
erschienen, vor allem blieb es hinsichtlich des gänzlich veralteten
Zunftwesens fast ganz beim alten ?.
? Vgl. hierüber BovENSIEPEN, Die Kurhessische Zunftpolitik und die