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der Außenwelt zu erforschen sucht und die zu dem Ergebnis ge-
langen muß, daß allen äußeren Erscheinungen zum Trotz die
Grundpfeiler des Völkerrechts so starke sind, daß an ihnen auch
die tückischen Wogen unredlichen Gebarens im Kriege zer-
schellen. Grade jene Verletzungen, die fast den Wert des Völker-
rechts in Zweifel ziehen könnten, rief erst der Krieg hervor.
Eins aber ist sicher: der Krieg ist nicht die Regel, sondern die
Ausnahme, mag er auch dazu berufen sein, die Erfüllung von
Naturgesetzen durchzusetzen. Sollte nicht schon diese Eigen-
schaft des Krieges als Anomalie dartun, daß ein solcher vorüber-
gehender Zustand nicht imstande sein könne, das Wesen und den
Wert jener Grundsätze zu beeinträchtigen, die den normalen Ver-
kehr der Staaten untereinander beherrschen, die ihre Entstehung
unabweislichen Bedürfnissen und der Ueberzeugung von ihrer Not-
wendigkeit verdanken? Zwar auch für die anormalen Zustände
hat man im Haag und in London für den Land- und den Seekrieg
Regeln gebildet. Daß diese unzulänglich oder gar nicht beachtet
sind, spricht aber höchstens dafür, daß man hier noch nicht all-
gemein zur Klarheit gelangte, daß man den nationalen Egoismus
noch nicht genügend zurückgedrängt hat, um die Notwendigkeit
der Ausschaltung einer bestimmten Handlungsweise zu erkennen
und daran festzuhalten. Hier freilich kommt den tatsächlichen
Erscheinungen ihre Bedeutung zu: das wiederholte Auftreten un-
billigen oder gar verwerflichen Handelns — auch im Kriege —
wird die Entwicklung in der angedeuteten Richtung weiter treiben,
nicht aber wird hierdurch an dem Wesen insbesondere des größten
Teils jener Sätze etwas geändert, die für den normalen friedlichen
Verkehr unter den Staaten geschaffen sind.
Für alles Recht, für das nationale wie für das Völkerrecht,
bildet die Grundlage die von der Natur selbst hervorgerufene Not-
wendigkeit.