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nehmlich erfüllen diesen Zweck die Vorschriften des Privat- und
Strafrechts, beide Materien im weitesten Sinne gedacht. Aber
selbst dort, wo der Bewegungsfreiheit des einzelnen noch der
weiteste Spielraum bleibt, gibt es Prinzipien, die dem mensch-
lichen Tun bestimmte Bahnen weisen und Ueberschreitungen jeden
Rechtserfolg versagen. So wird auch das Schuldrecht — und dies
sei nur ein Beispiel — von allgemeinen Sätzen beherrscht wie
der Rücksicht auf Treu und Glauben, dem Verbot der Sehikane,
des sittwidrigen oder ausbeuterischen Verhaltens usf.
Ihre Entstehung verdanken aber die Normen des objektiven
Rechts natürlichen Bedürfnissen und der Erkenntnis ihrer Not-
wendigkeit, gleichviel ob sie feste Form sofort im gesetzten Recht
erhalten oder zunächst nur als Gewohnheitsrecht erscheinen oder
ob sie sich endlich erst gar durch weiterstrebende Auslegung be-
reits bestehenden Rechts durch die Gerichte bilden.
Das Kriterium des objektiven Rechts als solchen bleibt seine
bindende Kraft, die Ursache seiner Entstehung aber die Erkennt-
nis der Notwendigkeit, einem bestimmten Tatbestand bestimmte
rechtliche Folgen anhaften zu lassen; gleichgültig auf welchem
Gebiet, ob auf dem des Straf- oder Privatrechts: der widerrecht-
liehen Fortnahme einer Sache muß zum Schutze des Eigentums
ebenso die Strafe folgen wie dem Verkauf einer Sache die Eigen-
tumsübertragung bzw. Zahlung des Kaufpreises usf. Immer aber
fordert das Leben selbst die Regelung bestimmter Tatbestände,
fordert es die Aufstellung von Normen für die Wiederkehr glei-
cher oder ähnlicher Erscheinungen. Man wird diesen Entwick-
lungsprozeß vielleicht am besten bei der Entstehung des Gewohn-
heitsrechts beobachten können, der Urform und Urstufe allen
objektiven Rechts: auf beschränktem Gebiete macht sieh die Not-
wendigkeit geltend, bestimmte Erscheinungen des Lebens nach
besonderen Grundsätzen zu beurteilen, bis sich schließlich der
Anwendungskreis dieser Regeln immer mehr erweitert und nie-
mand mehr zu zweifeln wagt, daß das, was hier angewandt wird,