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bindendes Recht ist. Hier zeigt sich am deutlichsten, daß
zum Wesen des Rechts als solchen durchaus nicht der Zwang
gehört. Dieser mag an sich ein unentbehrliches Mittel für die
Realisierbarkeit subjektiver Rechte sein; aber das objektive Recht
selbst bedarf seiner nicht, um den Erfolg des Gebundenseins zu
erreichen. Dieser ist ihm sicher, weil und solange die Rechts-
genossen seine Notwendigkeit anerkennen und danach handeln.
Der Zwang, den auch die staatliche Macht sanktioniert und in
festumgrenzter Form dem Recht angehängt hat, mag nebenher
durch seine generalprävenierende Kraft zur Stärkung des objek-
tiven Rechts beitragen — er erscheint ja selbst stets in Form
eines Rechtssatzes —, in erster Linie, seiner ursprünglichsten
Zweckbestimmung nach, ist er jedoch nichts weiter als ein Hilfs-
mittel, Rechtsbrecher zur Anerkennung und Befolgung ihrer
Rechtspflichten zu bringen, mithin die Erfüllung subjektiver
Rechte zu sichern. Auch hierfür ist es gleichgültig, welchem
Gebiet man sich zuwendet: ob der verurteilte Verbrecher zur
Verbüßung seiner Strafe oder der verurteilte Schuldner zur Zah-
lung der geschuldeten Summe herangezogen wird. Zieht jeder
von ihnen freiwillig die Konsequenzen seines Tuns, die das
Recht ihnen aufbürdet (und das ist wohl die Norm),
dann entfällt jegliche Notwendigkeit eines Zwanges. Dieser selbst
hat auch auf dem einen oder anderen Gebiete keine weitere Auf-
gabe als die der Ausführung subjektiver Rechte, sei es im
Privatrecht eines dem objektiven Recht entstammenden und fest-
gestellten Anspruchs, sei es im Strafrecht des staatlichen Straf-
anspruchs. Mag also der Zwang um deswillen noch so weit-
tragende rechtspolitische Bedeutung haben, dem objektiven Recht
selbst ist er nicht eigentümlich. Dies besteht vielmehr, weil es
bestehen muß, und schöpft seine bindende Kraft daraus, daß die
überwiegende Mehrzahl der Rechtsgenossen seine Notwendigkeit,
erkannten. Man mag demgegenüber freilich wohl daran denken,
daß die Gesetze — sie enthalten ja vor allem objektives Recht —