Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 34 (34)

— 1483 — 
liegt der Kern der ganzen Frage: was verleiht dem Völkerrecht 
den Rechtscharakter ? 
Man muß zurückgreifen: wie entstehen denn überhaupt die 
Sätze des Völkerrechts? Zunächst: Handhabung bestimmter Tat- 
bestände nach bestimmter Richtung unter Beobachtung des Gegen- 
seitigkeitsprinzips. "Nie wird schließlich zur Gewohnheit. Die 
Staaten gewinnen die Ueberzeugung: so muß es sein! Was wir 
tun, ist unser Recht und zugleich unsere Pflicht! Damit sind 
schon die sämtlichen Voraussetzungen für ein Gewohnheitsrecht 
gegeben. Häufig mag die Anerkennung solcher Grundsätze noch 
besonders im Wege allgemeiner Staatsverträge niedergelegt wer- 
den, häufig mögen bestimmte Grundsätze sofort in solchen Ver- 
trägen feste Form gewinnen. Immer aber ist der Boden, dem 
die Saat entspringt, die gemeinsame Rechtsüberzeugung der 
Staaten! 
Trotzdem hat man die Rechtsnatur des Völkerrechts ge- 
leugnet und zwar deshalb, weil es keine Macht gebe, die über 
den Staaten stehe, und aus diesem Grunde jeder Zwang zur 
Realisierung der völkerrechtlichen Grundsätze fehle. Diese Irr- 
lehre ist treffend bereits mit dem Hinweis darauf widerlegt, daß 
das Zwangsmoment kein notwendiges Requisit des objektiven 
Rechts ist. Es kommt nun hinzu, einmal daß ein Zwang, wie 
er sich im Rahmen des Völkerrechts findet, also die Selbsthilfe 
in ihren verschiedenen Erscheinungsformen, ebenso im nationalen 
Recht, sowohl im Privatrecht wie im öffentlichen Recht, vorhan- 
den ist, und ferner vor allem, daß auch dort der seitens der 
übergeordneten Macht, der Staatsgewalt, bereitgestellte Zwang 
niemals zur Realisierung des objektiven Rechts dient, vielmehr 
lediglich zur Durchsetzung subjektiver Rechte, die auf Grund 
des objektiven Rechts dem einzelnen Subjekt erwachsen; so vor 
allem im Privatrecht wie auch im Strafrecht. Hierüber ist oben 
bereits gehandelt worden. 
Mit alledem ist naturgemäß noch nicht bewiesen, daß das
	        
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