Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 34 (34)

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zu zwingen, so erwidert doch die Retorsion die interessenver- 
letzende, unbillige Maßregel eines Staats stets nur in der gleichen 
Weise, während die Repressalie unmittelbar Gewalt antut oder 
Schaden zufügt, ohne in der Auswahl der erforderlichen Mittel 
nach irgend einer Richtung beschränkt zu sein. — Die weitest- 
gehende Art der Selbsthilfe endlich, der Krieg, ist der mit Waffen- 
gewalt geführte Kampf mehrerer Staaten gegeneinander. 
Besteht nun, so wird man zunächst fragen dürfen, irgend eine 
allgemeine Bindung der Staaten bezüglich der Reihenfolge, in der 
die drei genannten Zwangsmittel zur Anwendung gelangen dür- 
fen? Eine dahingehende Beschränkung wäre doch zum minde- 
sten denkbar. In ähnlicher Richtung bewegt sich ja beispiels- 
weise die sog. kompromissarische Klausel, d. h. die Vereinbarung, 
gewisse, aus Verträgen resultierende Streitigkeiten nicht mit 
Waffengewalt erledigen, sondern der Entscheidung eines unpar- 
teiischen Schiedsgerichts überlassen zu wollen. Noch mehr gehört 
ferner hierher die Vereinbarung der sog. Ehrenklausel, durch die 
sich die Staaten vielfach verpflichten, sämtliche zwischen ihnen 
entstehende Streitigkeiten, soweit diese auf Verträgen beruhen 
und nicht etwa die Ehre bzw. wesentliche Lebensinteressen be- 
rühren, durch ein Schiedsgericht entscheiden zu lassen. Diese 
letztgenannte Vereinbarung bezweckt sogar noch mehr als die von 
uns gestellte Frage enthält: sie läuft geradezu auf eine fast 
völlige Ausschaltung eines der erwähnten Zwangsmittel, noch 
dazu des stärksten, hinaus. Um wieviel mehr wäre also eine Ab- 
rede denkbar, die lediglich die Verwendungsmöglichkeit und die 
Reihenfolge für die Anwendung der sämtlichen völkerrechtlichen 
Zwangsmittel normierte! Wieweit eine solche Vereinbarung Be- 
achtung fände bzw. ihre Befolgung erzwungen werden könnte, 
ist eine Frage, die nicht hierher gehört. Es genügt, daß sie 
überhaupt möglich wäre! Allein — von vorneherein ist festzu- 
stellen, daß eine Bindung bezüglich der Anwendung des Völker- 
rechtszwanges in dem angedeuteten Sinne für die Staaten weder
	        
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