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wäre jedoch auch politisch von sehr fragwürdiger Bedeutung ge-
wesen. Denn ob die Ergreifung derselben unerlaubten Kriegs-
maßregel seitens des Deutschen Reichs die Feinde überhaupt zur
Aufgabe ihres widerrechtlichen Verhaltens veranlaßt hätte, mag
zum mindesten dahingestellt bleiben. Eher wird man glauben
dürfen, daß durch eine solche Beantwortung deutscherseits eine
Verwendung unerlaubter Kriegsmittel in noch weiterem Umfange
herbeigeführt worden wäre. Und das war für jeden Fall allein
im Hinblick auf die jahrelangen Mühen, mit denen man eine
menschlichere Art der Kriegführung durchzusetzen bestrebt war,
zu vermeiden!
Die Rechtsverletzung selbst aber wäre damit noch nicht ein-
mal gesühnt worden: ein Unrecht wird nicht durch die Begehung
eines gleichen seitens des Verletzten beseitigt. Die gleiche Er-
scheinung begegnet uns im nationalen Recht: ein Ehebruch, eine
Körperverletzung, eine Bedrohung usf. rechtfertigt noch nicht die
Begehung desselben Delikts auf der anderen Seite. Solchenfalls
würde beide schließlich der gleiche Vorwurf treffen. Dies muß
auch hier als Rechtsgrund dafür dienen, daß eine spezifisch kriegs-
rechtliche Rechtsverletzung nur mit einem erlaubten Kriegsmittel,
nicht aber im Wege der Repressalie mit der gleichen Rechtsver-
letzung erwidert werden darf. So blieb als einzige Antwort nur
die möglichst einwandfreie Feststellung des feindlicherseits be-
gangenen Unrechts. Daß die Feinde sich wirklich als Barbaren
zeigten, durfte für das Deutsche Reich noch kein Grund sein, sich
ebenso zu benehmen. Es hielt sich vielmehr streng an jene kriegs-
rechtlichen Verbotssätze, die es stets als Recht betrachtet hatte,
und vermied es, sich für jetzt oder die Zukunft den gleichen Vor-
wurf einer Rechtsverletzung zuzuziehen. Damit hätte es sich nicht
nur ebenso vom Boden des bestehenden Rechts entfernt, sondern
auch praktisch wohl kaum etwas erreicht.