Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 34 (34)

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sich hier vom legislatorisch-technischen Standpunkt als völlig un- 
entbehrlich. Aber noch nicht jede Norm, welche einem öffent- 
liehen Organ sprachlich die Wahl zwischen mehreren Arten des 
äußeren Verhaltens gewährt, kann als disjunktive Norm in dem 
bisher erörterten Sinn betrachtet werden. In meiner Arbeit „Das 
freie Ermessen und seine Grenzen“ 1910, und in dem Aufsatz 
„Zum Problem des freien Ermessens* in der Festschrift für Zitel- 
mann 1913, habe ich zu zeigen versucht, daß das Gesetz dort, 
wo es scheinbar eine Freiheit der Wahl zwischen rechtlich gleich- 
wertigen Alternativen einräumt, in Wahrheit die Unterordnung unter 
einen bestimmten Zweck vorschreiben kann. Dann sind die 
mehreren Alternativen rechtlich nicht gleichwertig, diejenige, 
welche der Erreichung des vorgeschriebenen Zweckes am besten 
dient, ist die einzig rechtsgemäße. Die Norm läßt sich 
dann auf eine kategorische Form zurückführen. Wo 
dagegen Freiheit der Wahl zwischen rechtlich gleichwer- 
tigen Alternativen gewährt ist, das heißt, wo die Freiheit der 
Wahl sıch nicht nur auf das äußere Verhalten, sondern auch auf 
die Zwecke dieses Verhaltens erstreckt, dort ist die Grund- 
form des Rechtssatzes die disjunktive. Schwierigkeiten 
der Interpretation lassen uns allerdings häufig im unklaren dar- 
über, ob die Rechtsordnung freie Zweckwahl gewähren oder Ge- 
bundenheit an einen vorgezeichneten und eindeutig bestimmbaren 
Zweck vorschreiben wollte. So erklärt sich die bisher herrschende 
und auch noch von einigen Kritikern meiner Theorie zäh festge- 
haltene Anschauung, daß es keinen scharfen Gegensatz zwischen 
gesetzlicher Gebundenheit und dem sogenannten freien Ermessen 
gebe, sondern daß hier ein allmählicher Uebergang zu konstatieren 
sei, der keinen Anlaß zu einer Unterscheidung biete. Wer dieser 
letzteren Auffassung beipflichtet, wer den Gegensatz zwischen 
rechtlich freier Zweckwahl und rechtlicher Gebundenheit im Sinne 
meiner Ausführungen leugnet, der leugnet die Bedeu- 
tung des Gegensatzes zwischen disjunktiven
	        
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