Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 34 (34)

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und kategorischen Normen und verzichtet da- 
mit bei der Behandlung des Rechtes auf die 
Verwertung einer der Grundformen des logi- 
schen Denkens. 
Nun ist allerdings ein Uebergang von der kategorischen zur 
disjunktiven Norm und daher auch von der rechtlichen Gebun- 
denheit des öffentlichen Organs zur freien Zweckwahl denkbar. 
Das menschliche Denken, welches mit seinen logischen Formen 
Grenzen und Unterscheidungen aufgestellt hat, um mit ihrer Hilfe 
das sonst unentwirrbare Chaos der Erscheinungswelt zu meistern, 
hat auch selbst die Mittel gefunden, mit denen es diese Grenzen 
und Unterscheidungen wieder überbrücken kann. Selbst in der 
Mathematik verschwinden alle scharfen Grenzen, sobald wir zwi- 
schen die deutlich unterschiedenen erfaßbaren Größen unfaßbar 
kleine, „unendlich kleine* Größen eingeschoben denken. Der- 
selbe Denkprozeß ist auch hier anwendbar. Man braucht in dem 
Urteil „S ist P oder P, (oder P,. ..)* oder in der Norm „S 
soll P oder P, (oder P,.. .) tun“ nur P, P, P, usw. einander 
immer ähnlicher werden zu lassen, bis der Unterschied unendlich 
klein ist. Dann geht die disjunktive Form an dem Punkt, an 
welchem der Unterschied zwischen den Prädikaten für den jeweils 
verfolgten Zweck aufhört, beachtenswert zu sein, in die katego- 
rische über. Darum aber den Unterschied zwi- 
schen der kategorischen und der disjunktiven 
Form und daher auch jenen zwischen rechtlicher 
Gebundenheit und freier Zweckwahl zu leugnen, 
wäre ebenso, wie wenn jemand wegen des Begriffs 
der unendlich kleinen Größe alle Größenunter- 
schiede in der Mathematik und damit alle Mathe- 
matik selbst negieren wollte. 
Mit diesen Erkenntnissen gewinnen wir auch Lieht über die 
Frage, aus welcher „Rechtsquelle“ theoretische Erörterungen über 
rechtliche Gebundenheit und rechtliche Freiheit, über die Zweck-
	        
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