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rechtlich und faktisch bestehenden Beamtenstellung noch eine zweite durch
die Ehrenauszeichnung begründete, fiktive Quasibeamtenstellung erlangen.
Ebensowenig paßt diese Fiktion auf die zahlreichen Ausländer, welche
Orden und öfters auch Titel erhalten. Wie kann man annehmen, daß ein
Minister oder ein Eisenbahnpräsident und andere Beamte, die oft von sehr
zahlreichen ausländischen Fürsten hohe Orden erhalten, zu allen diesen
Fürsten in ein Quasibeamtenverhältnis treten und ihrer Disziplinargewalt
unterworfen seien. Die vom Verf. zugrunde gelegte Fiktion ist also für
sehr zahlreiche Fälle ganz unmöglich und kann daher niemals zur Lösung
der Frage führen. Aber auch in denjenigen Fällen, in denen sie möglich
wäre, widerspricht sie zu sehr den Tatsachen und dem allgemeinen Emp-
finden, als daß sie aufrecht erhalten werde könnte. Ein Künstler erhält
für seine Teilnahme an einem Hofkonzert einen Orden; ein Kaufmann
wird für eine Spende zu einem wohltätigen oder kirchlichen Zweck zum
Kommerzienrat ernannt; ein Arzt erhält nach 25jähriger Praxis den Titel
Sanitätsrat; glaubt der Verf., daß die genannten Personen sich von diesem
Zeitpunkt an mehr als vorher verpflichtet fühlen, ehrlose Handlungen zu
unterlassen und daß sie selbst sich als Staatsorgane und Quasibeamte und
einer staatlichen Beaufsichtigung und Disziplinargewalt unterworfen an-
sehen? Auch bei diesen Personen müßte in dem Falle, daß sie von
mehreren Staaten Orden oder Ehrentitel erhalten, ein verwirrtes Netz von
Quasibeamtenstellungen und Disziplinargewalten angenommen werden.
Da sie keine Beamtenfunktionen ausüben und keine Beamtenrechte
ihnen zustehen, so können sie auch nicht kraft einer Fiktion als Quasi-
beamte und einer Disziplinargewalt unterworfen angesehen werden. Wäre
die Entziehung eines Titels oder Ordens eine Disziplinarstrafe, so müßte
sie auch an ein geordnetes und kontradiktorisches Verfahren gebunden
sein, was bekanntlich nicht der Fall ıst. Der Versuch des Verfassers, das
Problem der Titel- und Ordensfrage zu lösen, muß daher als völlig miß-
lungen erachtet werden. Laband.
Die Monroedoktrin in ihren Beziehungen zur amerikanischen Diplo-
matie und zum Völkerrecht von Dr. iur. Herbert Kraus. Berlin
1913. J. Guttentag, Verlagshandlung.
Fürwahr kein abstrakt-rationalistisches Buch aus der Schule der Kon-
struktionsjurisprudenz! Der Verfasser hat mit keckem empirischen Griff
eine Welt von diplomatischen Geschehnissen vor uns ausgebreitet und ge-
zeigt, wie hier als führendes politisches Prinzip mehr oder weniger immer
die Grundanschauung gewirkt hat, die in der Botschaft des Präsidenten
Monroe vom 2. Dezember 1823 mit einem gewissen Wortschwall entwickelt
worden ist. Eine solch straffe wissenschaftliche Zusammenfassung haben
die durch die Monroedoktrin ausgelösten politischen Bestrebungen der nord-
amerikanischen Union noch nicht erfahren. Wir sehen den Anlaß der