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Die Union bietet ihre guten Dienste nicht an, bevor sie überzeugt ist, daß
dies den Kriegführenden willkommen ist.
Bei früheren Konferenzen über rein europäische resp. nichtamerikanische
Angelegenheiten (z. B. über den Rhein, die Donau, den Balkan, den Suez-
kanal) haben die Vereinigten Staaten nicht mitgetan, während die Sanktion
der Kongoakte von 1885 unterblieb und zur Brüsseler Antisklavereiakte
von 1890 wie zur Algeciras-Akte von 1906 ein Vorbehalt gemacht wurde
(S. 341). Andernteils steht fest, daß die Union mit Berufung auf die
„Menschlichkeit“ und zugunsten der Juden oft interveniert hat; insbeson--
dere hat das Auftreten für Kossuth und Kreta nichts an Bestimmtheit zu
wünschen übrig gelassen. Der Verf. erwähnt S. 315 auch die Beileids-
kundgebung des Repräsentantenhauses von 1884 aus Anlaß des Todes von
Lasker, die eine Kritik der deutschen Regierungspolitik war und deshalb
von Bismarck zurückgewiesen wurde. Daß freilich Lasker hier vom Verf.
als „Sozialistenführer“ bezeichnet wird, hat dieser nicht verdient. Gar das
Verhalten der Union gegenüber Spanien in der Cubanischen Augelegenheit
und das Vorgeben gegen die Philippinen (1898) war, wie der Verf. S. 338f.
mit Recht betont, eine überaus drastische und anschauliche Nichtbefolgung
des zweiten Unterprinzips der Monroedoktrin von nicht zu überbietender
Schärfe. Seit dem siegreichen Krieg mit Spanien ist die amerikanische Politik
in dasFahrwasser desImperialismus geraten, und dieser beansprucht, wie LisZT
sagt, „die Wahrung der Weltmachtstellung der Vereinigten Staaten in den
Welthändeln“®, Man wird dem Verf. zustimmen können, „daß das zweite,
die Vereinigten Staaten beschränkende Unterprinzip der Monroedoktrin
sich erledigt habe“ (S. 345). Dieses war auch nie ernstlich gemeint und
nur die Schutzmarke des ersten.
Der dritte Abschnitt (S. 351—400) ist überschrieben: „Monroe-
doktrin und Völkerrecht. Der Gedankengang des Verf. ist fol-
gender: Die Monroedoktrin sei ein politischer Grundsatz, dessen Verwirk-
lichung an sich nicht völkerrechtswidrig sei. Denn das Streben nach dem
Ausschalten fremden politischen Einflusses sei erlaubt. Aber Verbote und
Androhungen seien eine Verletzung der Souveränität und mithin verbotene
Mittel. Die wissenschaftlichen Versuche, diese Verbotswidrigkeit wieder
als behoben erscheinen zu lassen, seien mißlungen und dabei führt der Verf.
insbesondere folgendes aus: Die Monroedoktrin ist vor allem kein völ-
kerrechtlicher Sonderrechtssatz. Die gegenteilige Kund-
gebung des Präsidenten Cleveland vom Jahr 1895 war vereinzelt und kann
nicht als richtig angesehen werden. Kein Staat hat die Monroedoktrin
anerkannt und Lord Salisbury hat ihren Rechtscharakter durch Note vom
26. November 1895 ausdrücklich bestritten (S. 361). Auch die insbesondere
von Alvarez vertretene Idee eines amerikanischen Völkerrechts ist, selbst
s Völkerrecht 9. A. S. 68.