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ihrer Bedeutung oder Schwierigkeit kürzerer oder längerer Abhandlung unter
Verwertung auch ungedruckter Quellen, namentlich der die Verfassung
betreffenden Akten des Justizministeriums und des Kultusministeriums, so-
wie unter sorgfältiger Würdigung des parlamentarischen Materials, der
wissenschaftlichen Forschung und der Rechtsprechung klar und entschieden
beantwortet.
Es ist wohl kaum eine Frage, die auch nur mittelbar in die an
einen Verfassungsartikel sich anknüpfende Gedankenreihe hineingehört,
unbeachtet gelassen worden. Insbesondere ist auf die Stellungnahme zu
aktuellen Streitfragen in erfreulicher Weise Wert gelegt worden, getreu der
Verheißung des Titelblattes, nicht nur der Wissenschaft, sondern auch der
Praxis ein wirklich brauchbares Nachschlagewerk zu liefern. Wenn wir
aus der gewaltigen Fülle des Stoffes einen kleineren Abschnitt heraus-
greifen und uns z. B. in die vom Kirchen- und Schulwesen handelnden Aus-
führungen vertiefen, so können wir feststellen, daß sie geradezu eine voll-
ständige Darstellung des preußischen Staatskirchenrechts und des Rechtes
der preußischen Unterrichtsverwaltung bilden. Gerade diese beiden Ab-
schnitte des Buches möchte ich als seine Glanzpunkte bezeichnen. Aber
auch die übrigen sog. Grundrechte, über deren Wesen eine besondere Be-
trachtung vorausgeschickt wird, boten Anlaß zu wertvollen Erörterungen
über wichtigste Zweige des preußischen Verwaltungsrechts. Auch die äußere
Form der Darstellung ist dazu angetan, die Lektüre des Buches zu einem
literarischen Genuß zu machen. Der Stil ist, wie immer bei ANSCHÜTZ,
lebhaft und anregend; die Polemik ist frisch und entschieden, aber sach-
lich. Die Darstellung zeichnet sich auch durch Objektivität in politischer
Beziehung aus. Rein politische Erörterungen mußten selbstverständlich
ausgeschaltet bleiben. Stellenweise aber war dir Stellungnahme auch zu
politischen Fragen nicht zu umgehen, soweit nämlich „die Betrachtung der
gegebenen Rechtslage oder Verwaltungspraxis den Ausspruch eines Wert-
urteils geradezu herausforderte“. Und wie die ideale Forderung einer po-
litisch völlig unbeeinflußten Bearbeitung staatsrechtlichen Stoffes in Wirk-
lichkeit kaum vollauf zu erfüllen ist, jeder Schriftsteller vielmehr bewußt
oder unbewußt bei der Entscheidung politisch wichtiger staatsrechtlicher
Fragen sich von seiner politischen Ueberzeugung unwillkürlich wird be-
einflussen lassen, so ist es auch hier geschehen, nur mit dem Unterschiede,
daß die meisten Schriftsteller es niemals ausdrücklich zugestehen, während
ANSCHUTZ es offen und ehrlich gleich in der Vorrede bekennt. Er weist
darauf hin, daß die politischen Anschauungen, die er der Abgabe von Wert-
urteilen, wo solche ihm angebracht schienen, zugrunde legt, wesentlich ab-
weichen von dem stark unterstrichenen Konservatismus der meisten neueren
Darstellungen des preußischen Staatsrechts, so derjenigen von ARNDT,
BORNHAK, HUBRIOH, vV. RORNNE-ZORN. Es verdient jedoch hervorgehoben
zu werden, daß die Wissenschaftlichkeit des Buches durch die liberale