— 201 —
Grundauffassung seines Verfassers an keiner Stelle zu Schaden gekommen
ist. Von besonderem Interesse wird es allerdings sein, im zweiten Bande
des Werkes festzustellen, wieweit sich AnSCHÜTZ bei seinen hier zu er-
wartenden Ausführungen über Rechte des Königs, Thronfolge, Wahlrecht
u. a. von der hier besonders naheliegenden Beeinflussung durch seine po-
litischen Anschauungen freizuhalten gewußt hat.
Im Anhang des Buches wird der im Königlichen Hausarchiv befindliche,
dem König vom Staatsministerium mit Bericht vom 15. Mai 1848 vorge-
legte erste Entwurf (Urentwurf) der preußischen Verfassungsurkunde nebst
den hochinteressanten eigenhändigen Randbemerkungen König Friedrich
Wilhelms IV. mitgeteilt; ferner finden wir hier die Texte der Regierungs-
vorlage vom 20. Mai 1848, des Kommissionsentwurfs der Nationalversamm-
lung, der oktroyierten Verfassung und der Verfassungsurkunde vom 31. Ja-
nuar 1850.
Das Buch ist eine wissenschaftliche Leistung ersten Ranges, außer-
ordentlich verdienstvoll für die Wissenschaft, unentbehrlich für die Praxis
des preußischen Verfassungs- und Verwaltungsrechts. Der Verfasser hat
wirklich mit dieser glänzenden Arbeit eine Schuld gezahlt, „mit der die
Wissenschaft des preußischen Staatsrechts bei dem Fachpublikum und der
weiteren Oeffentlichkeit zu Buche stand“ — sobald er sein großes Werk
vollendet haben wird.
Frankfurt a. M. Friedrich Giese.
Ingelmann, Alfons, Ständische Elemente in der Volksver-
tretung nach den deutschen Verfassungsurkunden der Jahre 1806
bis 1819. (Abhandlungen a. d. Staats- und Verwaltungsrecht her.
v. S. Bkie und M. FLEISCHMANN, Heft 33.) 1914. Breslau, M, u. H.
Marcus, XI und 176 8.
Wenn unsere Staatsrechtswissenschaft der Frage nach der Bedeutung
der ständischen Elemente in den im 19. Jahrhundert entstandenen Ver-
fassungen bis heute noch keine prinzipielle Erörterung gewidmet hat — auch
die vorliegende Arbeit stammt nicht von einem Staatsrechtler —, so darf
daraus durchaus noch nicht geschlossen werden, daß diese Frage für das
Verständnis des deutschen Verfassungslebens heute bedeutungslos sei. Ihre
Nichtbeachtung ist vielmehr zunächst nur als eine charakteristische Be-
gleiterscheinung der Entwicklungsgeschichte unserer Wissenschaft im ver-
gangenen Jahrhundert anzusehen. In dessen erster Hälfte war die staats-
rechtliche Betrachtung des Verfassungsrechts — von den rein beschreiben-
den Lehrbüchern abgesehen — wesentlich politisch orientiert nach jenen
beiden, damals um ihren Ausgleich ringenden, auf beiden Seiten doktrinär
zugespitzten politischen Theorien, die man wohl am richtigsten als die
konstitutionelle Theorie des vormärzlichen Liberalismus und das monarchi-