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sche Prinzip im Sinne der Restauration bezeichnen kann. Die Orientierung
nach diesen beiden Gegensätzen ließ die Frage nach der Fortwirkung von
Verfassungsgedanken des älteren deutschen Staatsrechts wohl besonders
deshalb übersehen, weil diejenigen, die sich mit jenen beschäftigten, und
zwar nicht nur die ausgesprochen reaktionären unter ihnen, darin spezifisch
deutsche Rechtsgedanken erblickten, infolgedessen den Gegensatz zu dem
„welschen“ Gedanken des Konstitutionalismus stark betonten und dadurch
die ganz außerhalb der Antagonie: monarchisches Prinzip — konstitutio-
nelle Theorie liegende selbständige Bedeutung ihrer Forschungen nicht
hervortreten ließen. Die folgende Periode der Staatsrechtswissenschaft
war vollständig erfüllt mit der Aufgabe der Darlegung des neu entstandenen
Verfassungsrechts in den Einzelstaaten und im Reich. Ansätze zu be-
wußter Herausarbeitung der für das Verständnis des heutigen Rechts wich-
tigen historischen Zusammenhänge konnten nicht zu voller Wirkung ge-
langen, weil inzwischen die Staatsrechtslehre die juristisch-dogmatische
Sichtung des bis dahin wesentlich nur gesammelten neuen Rechtsstoffes als
ihre dringendste Aufgabe anzusehen gelernt hatte. Eine ganz natürliche
Folge dieser Entwicklung ist es, daß in der Frage des Nachwirkens älterer
deutscher Verfassungsgedanken die Versäumnis der ersten Jahrzehnte des
vorigen Jahrhunderts bisher nicht nachgeholt wurde.
Aus diesen methodengeschichtlichen Erwägungen ergibt sich für die
Bedeutung des von INGELMANN behandelten Themas negativ, daß sie nicht
auf Grund der fast völligen Nichtbeachtung des Themas in dem bisherigen
staatsrechtlichen Schrifttum ohne weiteres als gering eingeschätzt werden
darf. Für eine positive Beurteilung dieser Bedeutung — sie wird m. E.
überraschend groß erscheinen — fehlen bisher die Grundlagen. Wichtige
Teile dieser Grundlagen liefert INGELMANN, aber doch nur Teile, denn er
beschränkt seine Arbeit auf die bis 1819 entstandenen Verfassungen. Er
gibt also nur einen kleinen Ausschnitt aus der Entwicklungsgeschichte des
modernen deutschen Verfassungsrechts. Immerhin bietet nicht nur dieser
Ausschnitt an sich schon eine Bereicherung der staatsrechtlichen Erkennt-
nis, sondern vor allem — das ist ja der Hauptwert jedes ersten Ver-
suches — sind ihm wichtige Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, in wel-
cher Richtung eine ausgedehntere Forschung zu suchen haben wird.
Ein Ueberblick über den „Kampf zwischen Altem und Neuem auf ver-
fassungsrechtlichem Gebiet zu Beginn des 19. Jahrhunderts*, wie ihn Verf.
in seiner Einleitung geben will, hätte die Rolle nicht übersehen dürfen,
die das Vorbild der englischen Verfassung in dem deutschen politischen
Denken jener Zeit spielte. Denn die englische Verfassung dürfte wegen
ihrer ununterbrochenen Entwicklung aus einer altständischen zu einermodern-
repräsentativen gerade für die Frage der ständischen Elemente in den konsti-
tutionellen Verfassungen von größter Bedeutung sein. Das Interesse für
sie ist dem deutschen politischen Denken nicht nur durch MONTESQUIEU