— 2ll —
verhältnis dem Ausdruck „subjektives Strafrecht im weiteren Sinne“ vor.
Nun versteht aber BAUMGARTEN unter Rechtsverhältnis etwas von dem
herkömmlichen Begriff weit Abweichendes.
Das Recht ist die Macht, welche das gesellschaftliche Leben in ähn-
licher Weise beherrscht, wie das Naturgesetz die physische Welt. Mit
dem Begriffe der Macht ist der der Kausalität aufs engste verknüpft.
Zwar wirkt das Recht nicht mit der Notwendigkeit des Naturgesetzes.
Nichtsdestoweniger läßt sich für das Recht der Gesichtspunkt der regel-
mäßigen Aufeinanderfolge der Ereignisse in der Zeit in Ermanglung eines
den naturgesetzlichen und den sozialgesetzlichen Zusammenhang um-
fassenden Ausdruckes als der des Kausalzusammenhanges bezeichnen. In
diesem Sinne ist das Strafrechtsverhältnis ein „soziales Kausalverhältnis“.
Der BAUMGARTENsche Satz, daß die Strafgesetze Voraussetzungen für die
Strafrechtsverhältnisse aufstellen, bedeutet also, daß sie Voraussetzungen
dafür aufstellen, „daß eine Person die Kräfte gegen sich entfesselt, die
nach dem Kausalgesetz in dem eben bezeichneten Sinne eine Strafe über
sie bringen‘.
Das Strafrechtsverhältnis macht einen Prozeß zunehmender Konkreti-
sierung durch. Von diesem betrachtet und benennt die Wissenschaft nur
einzelne, sie interessierende Stadien. „In einer näher präzisierten Formel
darüber Auskunft zu geben, unter welchen Voraussetzungen die einzelnen
Stadien im Konkretisierungsprozeß des Rechtsverhältnisses von der Wissen-
schaft beachtet und besonders benannt werden”, bezeichnet BAUMGARTEN
als „vielleicht nicht möglich“. Jedenfalls bietet hinsichtlich des Straf-
rechtsverhältnisses die Lage, bei der nur ein materielles Strafgesetz vor-
liegt, als etwas Unfertiges der Wissenschaft noch kein solches Interesse.
Die Frage, ob mit dem alleinigen Vorliegen eines materiellen Strafgesetzes
schon ein Strafrechtsverhältnis bestände, braucht aber auch gar nicht ge-
löst zu werden, um abzugrenzen, welche Voraussetzungen des Strafrechts-
verhältnisses der Lehre vom materiellen Strafrecht zuzuweisen sind.
Denn die Grenze liegt darin, daß das materielle Strafrecht allein die Vor-
aussetzungen des konkreten Strafrechtsverhältnisses in seinen einzelnen
Bestimmungen festlegt. Es liefert, will man einen Ausdruck aus der Kau-
salitätslehre entlehnen, die neu auftretenden Bedingungen, während
die übrigen Gesetze, wie z. B. das Gerichtsverfassungsgesetz, nur die
ruhenden Bedingungen für das konkrete Strafrechtsverhältnis ab-
geben.
Widerlegen läßt sich BAUMGARTEN in seiner Entwicklung des Begriffes
des jRechtsverhältnisses, insbesondere des Strafrechtsverhältnisses, nicht.
Sein Begriff des Strafrechtsverhältnisses ist auch ohne Zweifel geeignet,
die Grundlage für eine systematische Darstellung des Strafrechtes abzugeben,
Ich glaube aber nicht, daß sie die bestehende Terminologie verdrängen
14*