Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 34 (34)

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Kapitel seiner Betrachtungen über die politische Geschichte Frankreichs 
mit dem Leser durchwandre. 
Frankreich bricht mit dem alten Regime in dem Augenblick, als die 
Vertreter des dritten Standes sich unter dem Einfluß der Doktrin von 
ROUSSEAU zur Nationalversammlung erklären — 17. Juni 1789 —. Es ent- 
steht eine neue Gewalt, die mit der früheren in keinem konstitutionellen 
Zusammenhang steht. Kein Gesetz, kein Verfassungsakt hat sie ins Leben 
gerufen. Sie ist faktischer Natur. Sie kann sich deshalb nicht auf die 
Legitimität des alten Regime berufen. Sie muß sich auf einen eigenen 
Titel gründen. Und diesen Titel bietet ihr das Dogma von der Souveränität 
des Volkes. 
Steht die Macht des Königs noch aufrecht und wird sie von der Na- 
tionalversammlung anerkannt, so ändert sich das mit der Flucht des Mon- 
archen. Die Nationalversammlung vereinigt jetzt alle Macht in ihrer Hand. 
Es entsteht eine neue Herrschaft von faktischer Natur und sie beruft sich 
wiederum auf die Volkssouveränität. 
Am 14. September 1791 nimmt der König die Verfassung an, welche 
die Nationalversammlung ihm vorlegt. Damit löst eine rechtliche Herr- 
schaft die faktische wiederum ab. 
Ein neuer Staatsstreich am 10. August 1792. Die legislative Versamm- 
lung, die auf Grund der Verfassung von 1791 funktioniert, entsetzt den 
Monarchen vorläufig seiner Machtbefugnisse und fordert das Volk auf, eine 
Nationalkonvention zu wählen, die dem Land eine freie Verfassung geben 
soll. Ein Bruch des bestehenden Rechtes auf der ganzen Linie. Und eine 
Tat, die nicht einmal mit dem spekulativen Prinzip der Volkssouveränität 
gerechtfertigt werden kann. Denn, hält es schon schwer, die frühere 
Nationalversammlung mit dem Volk zu identifizieren, ihren Willen darzu- 
stellen als das Spiegelbild des seinen, so ist es ganz unmöglich einem ge- 
setzgebenden Parlament, einem Träger beschränkter Gewalt, die Initiative 
der Verfassungsänderung zuzusprechen. 
Die Konvention, welche am 21. September 1792 zusammentritt, den 
König absetzt und am nächsten Tag die Republik proklamiert, bildet ein 
neues Regime von faktischer Natur. Sie kann sich mit mehr Recht als die 
früheren Versammlungen auf den Volkswillen berufen; ist sie doch auf 
Grund eines viel allgemeineren Wahlrechts entstanden. Eine rechtliche 
Herrschaft bildet sich erst, wenn auch in rudimentärer Form, mit dem 
Dekret vom 14. Frimaire des Jahres II, welches dann am 4, Brumaire des 
Jahres IV durch die von der Konvention beschlossene Direktorialverfassung 
abgelöst wird. 
Mit dem Konsulat tritt die Revolution in einen neuen staatstheoretischen 
Ideenkreis. Wird auch der Gedanke der Volkssouveränität nicht ganz ver- 
drängt, so tritt doch ein anderer Gedanke in den Vordergrund: die staat- 
liche Notwendigkeit, die Selbsterhaltung.
	        
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