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„freiwillige* und „nichtstreitige* Gerichtbarkeit sich nicht voll-
ständig decken, und jedenfalls ist heute Niemand im Zweifel, daß
man unter Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit nur
Angelegenheiten des Privatrechts begreift. Das schließt natür-
lich nicht aus, daß allgemeine Vorschriften, die für solche
Angelegenheiten gelten, auf eine nichtstreitige Angelegenheit des
öffentlichen Rechtes, um die allein es sich hier handelt, ent-
sprechend angewendet werden. Das und nur das hat das
Öberlandesgericht in Colmar getan und mußte es tun auf Grund
landesgesetzlicher Vorschrift. Ich möchte aber mit meiner per-
sönlichen Meinung nicht zurückhalten, daß das Gericht wohl
ebenso verfahren wäre, wenn jene bindende Vorschrift des Landes-
rechts nicht bestünde, — weil etwas anderes vernünftigerweise
gar nicht möglich ist.
2. Die Meinung, daß „das Verfahren über Wahleinsprüche
nach den Grundsätzen der freiwilligen Gerichtsbarkeit entschie-
den (!) werden soll“ [soll heißen: daß die Verfahrensvorschriften,
welche der nichtstreitigen Angelegenheit entsprechen, anzu-
wenden seien], ist nicht, wie HATSCHEK S. 498 sagt, erst „neuer-
dings vom Oberlandesgericht in Colmar vertreten“ worden. Diese
Meinung hat im Grunde schon vor Jahr und Tag das Oberlandes-
gericht in Naumburg ausgesprochen in einem Beschluß vom 30. No-
vember 1900, der u. a. in den stenogr. Berichten des Reichstags
1900—1902 Anl. S. 1103 abgedruckt ist, woraus merkwürdiger-
weise HATSCHEK selbst ıhn entnimmt, um ihn S. 537 zu zitieren.
Es handelte sich um die bekannte Frage, ob die Amtsgerichte
gehalten seien, auf das ihnen übermittelte Ersuchen des Reichs-
tags Zeugen eidlich zu vernehmen. Das Amtsgericht hatte abge- -
lehnt; das Oberlandesgericht in Naumburg führt aus:
„Die vom Regierungspräsidenten eingelegte Beschwerde ist
nach Art. 130 No. XI des preußischen Freiwilligen-Gerichts-
barkeitsgesetzes ($ 87 Abs. 2 AG. z. GVG.) zulässig. Sie ist
auch begründet. Allerdings sind die Vorschriften des GVG.