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über Rechtshülfe auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar,
da es sich nicht um einenFall der streitigen Ge-
richtsbarkeit handelt.“
Man sollte meinen, der Beschluß sei in Preußen, zumal für
den, der ihn zitiert und der gegen die mitihm übereinstimmende
Entscheidung eines anderen Gerichtshofs polemisiert, auch in-
haltlieh bekamnt.
I.
Das Wahlprüfungsrecht des Reichstags ist begründet in der
Vorschrift des Art. 27 der Reichsverfassung:
„Der Reichstag prüft die Legitimation seiner
Mitglieder und entscheidet darüber.“
Alle Welt, die sich um solche Dinge kümmert, ist darüber
einig, und der Reichstag sieht es offenbar als selbstverständlich
an, daß er bei semer Prüfungstätigkeit — prozessual ge-
sprochen — nach der Offizialmaxime verfährt und an keine An-
träge oder „Prozeßdispositionen“ der Beteiligten oder Parteien
— wie man sie nennen will — gebunden ist. Auch HATSCHEK ver-
kennt dies grundsätzlich nicht (S. 531), baut aber seine Ansicht,
daß das Wahlprüfungsverfahren, und zwar auch das und gerade
das des Reichstags, ein „richtiges, öffentlich-rechtliches Streit-
verfahren“ sei, wie wir noch näher sehen werden, auf der Be-
hauptung auf, daß es in diesem Verfahren „richtige Parteien
gebe“ und daß das Verfahren „sich unter Mitwirkung von Par-
teien vollziehe“. Als „Parteien“ könnten, um das gleich hier zu
bemerken, für den Reichstag nur in Betracht kommen: einer-
seits ein die Wahl anfechtender Wahlberechtigter oder ein Ein-
sprache erhebendes Mitglied des Reichstags (Gesch.Ordn. $ 4;
R.T.-Beschl. vom 18. März 1893, Sten. Ber. S. 4841 B), anderer-
seits der zum Abgeordneten Gewählte und etwa noch ein (dritter)
Gegenprotesterheber. Welch dürftigen Inhalts die „Parteirolle‘,
auf die HATSCHEK so großes Gewicht legt, nach Reichstags-
recht in der Tat ist, werden wir später sehen.