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zuversichtlich hoffen, die deutsche Kultur zur höchsten Blüte
sich entfalten und zum Segen für die Menschheit werden.
Es ziemt sich nicht, noch mitten in schweren Kämpfen von
der ersehnten und vollverdienten Erweiterung deutscher Macht
und deutschen Einflusses wie von sicherem Gewinn zu sprechen.
Erst der Sieger stellt seme Forderungen. Nur der erstrittene
Neu-Besitz gibt uns den Beruf und die Pflicht, die politischen
und staatsrechtlichen Folgerungen zu ziehen, die aus diesem Zu-
wachse sich ergeben.
Ein Ziel aber ist schon jetzt gewiß, trägt und erhebt uns
in den Kämpfen und Sorgen der Gegenwart: die gefestigte, ver-
tiefte, dauernde Verbindung Deutschlands und Oesterreichs.. Wir
können nicht frühe genug damit beginnen, über die Art dieser
Vereinigung uns klar zu werden. Es bieten sich für einen solchen
Bund die allerverschiedensten Rechtsformen. Und es gilt, in
staatsmännischer Besonnenheit, Uebermaß fernhaltend, das Wün-
schenswerte und Erreichbare fest ergreifend die Bahnen zu be-
stimmen, in denen die neue gemeinsame Entwickelung zum Segen
der verbundenen Völker sich zu bewegen berufen ist. Es ist
dringend zu wünschen, daß über diese bedeutsamste Frage unserer
Zukunft bald viele Stimmen sich vernehmen lassen, damit im
Kampfe der Meinungen das Richtige sich durchringe und für
eine weise bemessene Verbindung die zutreffenden Rechtsformen
gefunden werden. Das Reichsproblem hat 1870, als der Krieg
noch in vollem Gange war, bereits ausgiebige Erörterung ge-
funden. Nicht anders ist die deutsch-österreichische Frage zu
behandeln. Wir dürfen nicht ihre Lösung diplomatischer Im-
provisation überlassen. Es bedarf gründlicher Vorbereitung durch
politische und staatsrechtliche Diskussion, die noch länger hinaus-
zuschieben durch nichts gerechtfertigt wäre.
Den engen Bund mit Oesterreich, ein „Vermächtnis der
deutschen Geschichte“ (Thronrede Kaiser Wilhelms II vom 25. Juni
1888), fordert die deutsche Nation, fordern nicht nur die Deut-
Archiv des öffentlichen Rechts. XXXIV. 1/2. >