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Tätigkeit dieser Standesvertretungen, bei deren Bestellung der
Staat durch seine Organe mitwirkt, entspricht zwar den Interessen
des Staates, sie ist aber nicht Staatstätigkeit, weil sie nicht na-
mens des Staates betrieben wird.
In diesen Fällen stellt der Staat nür Vorschriften über ge-
wisse Modalitäten der Erledigung der Angelegenheiten jener In-
teressenvertretungen und die Bestimmung der Personen, die sie zu
erledigen haben, auf. Je weiter der so festgelegte Geschäftskreis
solcher Personen geht, desto größere Aehnlichkeit hat er mit
einer staatlichen Kompetenz. Wenn z. B. die Vorstände der An-
waltskammern, der Aerzte-, Tierärzte-, Apothekerkammern Strafen
gegen die Mitglieder der Kammern verhängen dürfen, wenn die
Ehrengerichte an den Börsen Börsenbesucher, welche im Zusam-
menhang mit ihrer Tätigkeit an der Börse sich unehrenhaft ge-
zeigt oder des kaufmännischen Vertrauens unwürdig erwiesen
haben, zur Verantwortung ziehen dürfen, so sind das Tätigkeiten,
welche der moderne Staat im allgemeinen in seinen Zuständig-
keitsbereich gezogen hat.
Auch wenn nach deutschem Reichsrecht an den Börsen be-
sondere Vertreter des Handels und der Landwirtschaft zur Ver-
bandlung und Entscheidung über Ordnungsstrafen für verbotene
Börsentermingeschäfte in Getreide oder Erzeugnissen der Getreide-
müllerei durch die Landesregierung gebildet werden, so
werden dadurch zwar individuelle Personen mit der
Wahrnehmung staatlicher Aufgaben betraut, sie
können aber nicht als Staatsorgan gelten, da sie nieht namens des
Staates handeln.
Wesentlich für die Eigenschaft des Staatsorgans ist es, daß
es namens des Staates gewisse Handlungen zu vollziehen hat, daß
es z. B. nicht nur Organ einer privaten Gemeinschaft innerhalb
des Staates ist, dessen Autorität die Aufgaben der Gemeinschaft
nicht zu eigenen Aufgaben gemacht hat, sondern nur die Aufsicht
über jene Interessenwahrnehmung ausübt.