Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 34 (34)

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die Soziologie in Bausch und Bogen zu verdammen. Haben doch 
alle neuaufkommenden Wissenschaften in ihrer Jugendzeit ähn- 
liches erfahren! Schwankend waren zunächst auch Umrisse und 
Inhalt der Statistik als eines neuen Wissenszweiges, schwankend 
ist heute noch das Bild der Privatwirtschaftslehre im Kampf um 
ihre Lostrennung von der Volkswirtschaftslehre. Das sind Kinder- 
krankheiten, die überwunden werden, und die es nicht ausschließen, 
daß in der Einzelforschung bereits bleibende Erkenntniswerte ge- 
schaffen werden. Auch wird ein abfälliges Urteil über die Soziologie 
nicht durch die Beobachtung gerechtfertigt, daß bisher tatsächlich 
sehr verschiedenartige Gegenstände unter diesen Begriff gezogen 
worden sind. Es gibt eben vielerlei Problemgebiete, für welche 
diese Bezeichnung — in Ermanglung einer besseren — mehr oder 
weniger angemessen erscheinen mag, und es bleibt abzuwarten, 
auf welches dieser Problemgebiete in Zukunft durch Uebung und 
herrschende Richtung der technische Ausdruck „Soziologie“ vorzugs- 
weise abgestellt sein wird. Wie aber auch dieser Wortstreit enden 
mag, auf alle Fälle gibt es eine Auffassung vom Wesen der 
Soziologie, die schon heute die wichtigsten Erkenntniswerte gerade 
auf juristischem Gebiete zu erschließen vermag, und die daher die 
ernsteste Aufmerksamkeit der Rechtswissenschaft verdient: das ist 
die Soziologie, als ein heuristisches Prinzip erfaßt. 
Wenn nämlich die sozialen Einzelwissenschaften sich auf die ver- 
schiedenen funktionellen Seiten des Ganzen der menschlichen Ge- 
sellschaft beziehen, dann muß es auch möglich und nützlich sein, 
die Wechselbeziehungen dieser verschiedenen 
Seiten zu einander wissenschaftlich zu behandeln. Denn 
das In- und Durcheinandergreifen dieser verwickelten Wechsel- 
beziehungen ist es recht eigentlich, was die jeweilige Struktur der 
„Gesellschaft“ bestimmt, ja mehr noch, es ist das, was erst das 
Dasein der Gesellschaft im Sinne geistiger Verbundenheit schaft. 
Die Betrachtung solcher Wechselbeziehungen ist also recht eigent- 
lich eine gesellschaftswissenschaftliche, eine soziologische Be-
	        
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