Ziele ab“. Danach sind also teleologische Werturteile nicht zu-
gelassen. Zu dieser Umfriedigung des eigenen Arbeitsgebietes
zwang schon die Notwendigkeit einer Grenzziehung gegenüber der
Schwestergesellschaft, dem „Verein für Sozialpolitik“. Sachliche
Vorzüge kamen hinzu. In seiner Programmrede spricht TÖNNIES
davon, man wolle sich beschäftigen mit dem, was ist, nicht mit
dem, was sein soll (I, 23), dadurch befreie man sich „von
der lähmenden Last der Werturteile* (I, 37). Die Wissenschaft
könne um so kräftiger und reiner sich entfalten, je mehr sie sich
ablöse von allen unmittelbaren und mittelbaren Einflüssen von
Willenstendenzen, praktischen Interessen, Zweckvorstellungen. Darin
liegt gewiß viel richtiges. Man schaltet so die Metaphysik des
Wünschenswerten aus, verzichtet damit freilich auch auf die Pflege
und Förderung praktischer Ziele. Aber die Verhandlungen der
Soziologentage lassen es nur allzu deutlich durchblicken, wie leicht
man alsdann der Gefahr erliegt, den Bogen der „wertfreien“ Rede
zu überspannen. Es darf schon bezweifelt werden, ob es überhaupt
möglich ist, teleologisch-normative Werturteile dann ganz aus
dem Unterbewußtsein auszuschalten, wenn soziale Erscheinungen
erörtert werden. Denn im Mittelpunkt dieser Erscheinungen steht
stets der Mensch, und wenn wir vom Menschen reden, mischen
sich in unsere Vorstellungen allzu leicht unbewußte Wertungen,
die in Abstammung, Erziehuug, Umwelt, Weltanschauung wurzeln,
metaphysische Werturteile über Würde, Ziel und Sinn des Menschen-
lebens. Darauf ist schon von anderer Seite hingewiesen worden.
In dem Bestreben nun, solchen Unterströmungen durch die Art
der Verhandlungsleitung einen festen Schutzdamm entgegenzustellen,
ist man sich dessen anscheinend nicht immer bewußt geblieben,
daß es sich sinngemäß und satzungsgemäß nur um den Ausschluß
teleologischer Werturteile handeln kann, daß es aber daneben
noch eine zweite und unentbehrliche Art von Urteilen gibt, die
man auch als „Werturteile“ bezeichnen kann: kausal-historische
Archiv des öffentlichen Rechts. XXXIV. 3/4. 27