Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 34 (34)

Ziele ab“. Danach sind also teleologische Werturteile nicht zu- 
gelassen. Zu dieser Umfriedigung des eigenen Arbeitsgebietes 
zwang schon die Notwendigkeit einer Grenzziehung gegenüber der 
Schwestergesellschaft, dem „Verein für Sozialpolitik“. Sachliche 
Vorzüge kamen hinzu. In seiner Programmrede spricht TÖNNIES 
davon, man wolle sich beschäftigen mit dem, was ist, nicht mit 
dem, was sein soll (I, 23), dadurch befreie man sich „von 
der lähmenden Last der Werturteile* (I, 37). Die Wissenschaft 
könne um so kräftiger und reiner sich entfalten, je mehr sie sich 
ablöse von allen unmittelbaren und mittelbaren Einflüssen von 
Willenstendenzen, praktischen Interessen, Zweckvorstellungen. Darin 
liegt gewiß viel richtiges. Man schaltet so die Metaphysik des 
Wünschenswerten aus, verzichtet damit freilich auch auf die Pflege 
und Förderung praktischer Ziele. Aber die Verhandlungen der 
Soziologentage lassen es nur allzu deutlich durchblicken, wie leicht 
man alsdann der Gefahr erliegt, den Bogen der „wertfreien“ Rede 
zu überspannen. Es darf schon bezweifelt werden, ob es überhaupt 
möglich ist, teleologisch-normative Werturteile dann ganz aus 
dem Unterbewußtsein auszuschalten, wenn soziale Erscheinungen 
erörtert werden. Denn im Mittelpunkt dieser Erscheinungen steht 
stets der Mensch, und wenn wir vom Menschen reden, mischen 
sich in unsere Vorstellungen allzu leicht unbewußte Wertungen, 
die in Abstammung, Erziehuug, Umwelt, Weltanschauung wurzeln, 
metaphysische Werturteile über Würde, Ziel und Sinn des Menschen- 
lebens. Darauf ist schon von anderer Seite hingewiesen worden. 
In dem Bestreben nun, solchen Unterströmungen durch die Art 
der Verhandlungsleitung einen festen Schutzdamm entgegenzustellen, 
ist man sich dessen anscheinend nicht immer bewußt geblieben, 
daß es sich sinngemäß und satzungsgemäß nur um den Ausschluß 
teleologischer Werturteile handeln kann, daß es aber daneben 
noch eine zweite und unentbehrliche Art von Urteilen gibt, die 
man auch als „Werturteile“ bezeichnen kann: kausal-historische 
Archiv des öffentlichen Rechts. XXXIV. 3/4. 27
	        
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