Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 34 (34)

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Ausdruck“ ein eigner Staat wäre, daß daher jene gefühlsmäßige 
Gemeinschaft normalerweise die Tendenz hat, einen solchen aus 
„sich herauszutreiben“ (IL, 50). 
Daß solches Gemeinschaftsgefühl als Vaterlandsgefühl ver- 
hältnismäßig sehr jungen Ursprungs sei, behauptet MICHELS 
in ausführlicher, genetischer Betrachtung (II, 140 ff). Das 
Mittelalter kannte nach ihm nur Vasallentum und städtisches 
Heimatsgefühl als die Keimzellen des modernen Vaterlandsgefühls. 
Die Richtigkeit dieser Ansicht ist bereits von anderer Seite an- 
gefochten worden”. Auch möchte ich bezweifeln, daß die Be- 
geisterung des preußischen Volkes 1813 eine „ganz überwiegend 
preußische“ gewesen sein soll (II, 160). Die Reden FICHTEs an 
die deutsche Nation, die Vaterlandsdichtungen eines KLEIST, 
KÖRNER, SCHENKENDORF, ERNST MORITZ ARNDT und RÜCKERT, 
die Gründung der deutschen Burschenschaft, und manche andere 
Tatsachen mehr waren doch wohl Symptome eines gesamt-deut- 
schen Begeisterungsschwungs.. Und wenn MICHELS auf eine 
vaterlandsfeindliche, internationale Arbeitersolidarität als ein Hemm- 
nis des Vaterlandsgedankens hinweist (II, 170 ff.), so deckt doch 
auch er schon die psychologischen Momente auf, die am Werke 
sind, die Arbeiterschaft aller Länder allmählich für den Vater- 
landsgedanken zurückzugewinnen. Schneller, als man es ahnen 
konnte, haben die erschütternd großen Ereignisse des Weltkrieges 
uns Deutsche in dieser Hinsicht um eine unvergeßliche Erfahrung 
bereichert. 
Wenn der Begriff der Nation auf so schwankendem, soziolo- 
gischen Untergrund sich aufbaut, so subjektiv-gefühlsmäßig ge- 
staltet ist, wie es nach dem Ergebnis des zweiten Soziologentages 
scheint, dann begreift man es, warum die Disziplinen des öffent- 
lichen Rechts bisher ein „Recht der Nationalität“ als 
feststehende Kategorie noch nicht allgemein anerkannt haben. 
  
  
2 Vgl. Spann bei FRISCHEISEN-KÖHLER, Jahrbücher der Philosophie, 
2. Jahrgang (1914) S. 148.
	        
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