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Anregungen auf dem zweiten Soziologentage keinen Widerhall
fanden. So seien sie hier noch einmal nachträglich zur Erörte-
rung gestellt, für die ich selber freilich nicht zuständig bin. Nur
eines möchte ich bemerken: das Beispiel von Oesterreich-Ungarn
zeigt, daß man bei völkisch gemischten Staaten vielleicht auch
vom Standpunkt des Rechts zwei Arten von Nationalitäten unter-
scheiden muß: solche, die den Schwerpunkt ihres völkischen Seins
ganz oder überwiegend innerhalb des betreffenden Staates finden,
wie z. B. die Tschechen, und solche, die den Schwerpunkt ihres
völkischen Seins in einem selbständigen Staatswesen außerhalb
der Grenzen jenes Staates finden, wie z.B. die Italiener, die Ru-
mänen. SCHMID läßt es in seinem Vortrag unbeachtet, daß das
Recht der Nationalität dort mehr die Tendenz haben wird, ein
Recht des nationalenGleichgewichts zu sein, hier
dagegen dazu neigt, seinen Inhalt unter dem mehr oder weniger
verhüllten Gesichtspunkt eines Rechts der nationalen
Vereinigung zu gestalten. SCHMID verweist ja selber (II, 59) auf
den Ausspruch MANZINIs, jede Nation habe das natürliche Recht,
alle ihre Angehörigen durch das Band des Staates zu vereinigen,
und er fügt hinzu, daß diese Vorstellung nicht nur in den Be-
strebungen der italienischen Irredenta nachwirke, sondern auch im
Staatsrecht Italiens einen Niederschlag finde, insofern dieses außer
der eigentlichen italienischen Staatsangehörigkeit noch eine solche
im weiteren Sinne kenne, die auch den Bewohnern italienischer
Nationalität in den angrenzenden österreichischen Provinzen zu-
gesprochen werde. Das wäre dann freilich, im Lichte der Mai-
ereignisse 1915 geschaut, eine Art theoretischer Vorbereitung auf
Treubruch und Verrat!
II.
Während die Erörterungen über Rasse, Nation und Nationa-
lität die Rechtswissenschaft nur an einzelnen Stellen leicht be-
rühren, wühlen die Verhandlungen des ersten Soziologentages die