Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 34 (34)

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in den Mittelpunkt. KANTOROWICZ versteht darunter im Sinne 
des oben befürworteten heuristischen Prinzips die Untersuchung 
des sozialen Lebens auf seine Beziehungen zu den Rechtsnormen 
hin (276). Es handelt sich also un die Wechselbeziehungen von 
Wirtschaft, Technik, Sitte, Kunst, Religion einerseits und dem 
Recht anderseits. Und zwar faßt er besonders die Rechtsprech- 
ung aus dem Gesetz ins Auge. Wenngleich seine Darstellung 
sich nicht grundsätzlich auf die bürgerliche Rechtsprechung be- 
schränkt, sondern gelegentlich auch strafrechtliche Beispiele bringt, 
liegt der Schwerpunkt doch in der privatrechtlichen Dogmatik. 
Hier wirken die Bleigewichte alter Ueberlieferung, ererbter An- 
schauung und Methode noch besonders hemmend auf den Fort- 
schritt der Erkenntnis ein. Zwar hatte schon JHERING in „Scherz 
und Ernst“ den lebensfremden historischen Quietismus und die 
konstruktionistische Begriffsjurisprudenz seiner eigenen damals 
schulgemäßen Dogmatik mit selbstzerfleischendem Spotte gegeißelt, 
und mit dem Hinweise auf das „Interesse“ als Kern des 
subjektiven Rechtes und auf den „Zweck“ als Kern des ob- 
jektiven Rechts eine soziologische Rechts-Teleologie gepredigt, 
die den Grundsatz der soziologischen Betrachtung in die Dogmatik 
einzuführen schien. Aber lange, viel zu lange dauerte es, bis 
diese neue Art zu schauen, unter der Einwirkung der Erfahrungen 
mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch, ihr Haupt erhob und den Gold- 
flitter des formalistischen Begriffskultus abstreifte, mit dem 
selbst ein JHERING geschmückt blieb. Hatte JHERING doch auch 
in den späteren Auflagen seinen „Geist des Römischen Rechts“ 
an der angeblich „höheren Jurisprudenz“ der Ableitung neuer 
Rechtssätze aus dem System der Rechtsbegriffe festgehalten. Und 
durchgesetzt hat die soziologische Rechtsauffassung sich auch 
heute noch nicht in der Dogmatik. Sie eroberte bisher, was das 
Privatrecht anlangt, lediglich die rechtsgeschichtliche Forschung, 
dank der neueren Germanistik unter BRUNNERs und GIERKESs 
Führung, dank auch der Vertiefung der romanistischen Studien
	        
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